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Eine Leserin schickte mir vorgestern den Link zu einem WerbeClip. Mit dem Kommentar: »Klassisches Alltagsauto. Geil, dass die damit sogar Werbung machen«.
Im Wuppertal Institut ist es inzwischen unumstritten, dass die Klimaziele nur erreichbar sind, wenn die Menschen ihr Verhalten ändern. Viele andere Institute teilen diese Einschätzung. Nun kommt die Internationale Energieagentur IEA in ihrem jüngsten Jahresbericht, dem World Energy Outlook, zu einer ähnlichen Schlussfolgerung.
Verhaltensveränderungen können Treibhausgase schnell reduziert. Die IEA hat elf verhaltensbezogene Maßnahmen untersucht. Besonders relevant sei der Verkehr. Hier ließe sich eine Reduktion um 20
Prozent eher leicht umsetzen.
Erstens: Flüge unter einer Stunde werden durch Bahnfahrten ersetzt, zweitens Strecken unter drei Kilometer zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt und drittens die Geschwindigkeit im Straßenverkehr wird um sieben km/h verringert.
Sehr extrem sind diese Maßnahmen in meinen Augen nicht. Ein gewaltiger Effekt ganz ohne teure Technik. Theoretisch wäre das sofort machbar. Vermutlich werden es die meisten Menschen vernünftig
finden, kurze Wege mit dem Rad zurückzulegen; und etwas langsamer zu fahren, dürfte auch nicht schwer fallen.
Es wird Zeit, dass die große Politik auch über den sozialen Wandel spricht, über Maßnahmen, die nicht einen Cent kosten, statt über das Wasserstoffflugzeug zu fantasieren.
Heute ganz kurz. Auf den letzten Blog »Wie die Fleischindustrie vegane Burger bekämpft« hat ein Leser geantwortet:
Das Veggie-Wurst Dogma ist tatsächlich lustig, wenn man sich die Verbots-Befürworter anschaut, die normal zu den Öko-Diktatur-Warnern zählen.
Wir sollten bei der EU den Antrag stellen, folgende irreführenden Bezeichnungen zu verbieten: Fleischsalat, Wurstsalat, Fischsalat, Leberkäse, Fleischkäse, Kräutersteak, Paprikasteak, Fleischpflanzerl, Orginal Bayerische Fleischpflanzerl, Quark-Wurst-Pflanzerl
Was für skandalöse Konsumententäuschungen!
Es ist nicht neu, dass die Landwirte unter dem Preisdiktat der großen Lebensmittelhändler leiden. Anfang Dezember haben wütende Bauern ihrem Ärger vorm Zentrallager von Lidl Ausdruck verliehen.
In Cloppenburg blockierten nach Polizeiangaben zeitweise bis zu 140 Traktoren die Zufahrt.
Ich weiß nicht, warum die Bauern sich ausgerechnet Lidl ausgesucht haben. Es hätte vermutlich auch genauso gut Aldi oder Netto sein können.
Seit vielen Jahren ist Lidl bestrebt, sein Image zu verbessern. Es fing an mit Produkten aus fairem Handel, die man ins feste Angebot aufgenommen hat. Und zuletzt sorgte die Kooperation mit
Bioland für viel Aufsehen. Das ist doch schon mal was.
Da kommt die Traktorenblockade ungelegen. Um darauf öffentlichkeitswirksam zu reagieren, veröffentliche der Discounter aus Neckarsulm Anzeigen mit einer Stellungnahme.
Interessant fand ich diese Formulierung: »Als Lebensmittelhändler kann Lidl die Problematik nicht alleine lösen. Um die Lage in der Landwirtschaft nachhaltig zu verbessern, sind mutige Schritte
seitens der Politik, Verarbeitern und unseren Mitbewerbern erforderlich, bei denen wir ausdrücklich unterstützen werden.«
Es ist tatsächlich so, dass Lidl nicht alleine das Problem lösen kann. Wenn sie deutlich besser zahlen, wären die Lebensmittel teurer, und die Leute würden nicht mehr beim Lidl einkaufen. So
einfach ist das.
Also, Lidl wünscht sich eine mutige Politik. Aber als ausgerechnet Julia Klöckner etwas Mut bewies, war es dann auch nicht recht. Die CDU-Politikerin hatte einen Gesetzesentwurf auf den Weg
gebracht, mit dem Landwirte und kleinere Lieferanten besser vor dem Preisdruck der Handelsriesen geschützt werden sollen, und von unfairen Umgangsformen gesprochen.
Da bekam Bundeskanzlerin Angela Merkel einen empörten Brief der großen deutschen Handelsketten. Das sei ja alles gar nicht so.
Daran müssen sich PolitikerInnen wohl gewöhnen. Auf der einen Seite wird von Ihnen Entschlossenheit und Mut gefordert, auf der anderen Seite macht man ihnen genau das zum Vorwurf.
Gestern Abend ging es beim Tischgespräch um Verkehrspolitik und was alles schief läuft. Sandra meinte dann: Ja, stimmt, aber man darf nicht aufgeben!
Stimmt. Ich finde es wichtig, sich immer zu vergegenwärtigen, wo wir herkommen. Also umweltpolitisch. Und da fiel mir vor einigen Tagen diese Grafik in die Hände. Eine positive Nachricht!
In der Zeit von 1998 bis 2015 hat Schleswig-Holstein 34 neue Bahnstationen eröffnet. Bis auf eine werden sie sehr gut angenommen. Derweil sind sieben weitere neue Bahnstationen in Planung, bis 2025 sollen sie eröffnet werden.
Es wird nicht alles schlechter. Und auch bei der Deutschen Bahn geht es seit vielen Jahren aufwärts. Endlich. Das macht sich zwar erst allmählich bemerkbar, weil man über zwei Jahrzehnte kaum in
Züge und Strecken investiert hat – Rückbau, statt Ausbau. Aber das ist Geschichte.
Im Widerspruch dazu stehen tausende Kilometer neuer Straßen, die Bund, Land und Kommunen noch bauen möchten.
Aber ich wollte ja heute etwas Positives schreiben.
Ich wünsche Euch einen schönen Sonntag.
In der Umweltbewegung hat man lange geglaubt, Bürgerbeteiligung ist automatisch gut für den Umweltschutz. Das ist nicht so. Das erste mal begegnete mir diese Erfahrung Mitte der 1990er Jahre, ich habe in Oldenburg noch Umweltpolitik studiert.
In München sprach sich damals die ansässige Lokale Agenda 21 Initiative für einen Autobahn Tunnel in der Landeshauptstadt aus. Immer wieder gibt es solche Nachrichten.
In Berlin votierten die Bürger*innen dagegen, den Flughafen Tegel nach Fertigstellung des BEE zu schließen. Anwohner kämpfen gegen den Umbau eines Parkstreifens zu einem Radweg und
Autoenthusiasten gegen eine Busspur. Es kommt auch häufig vor, dass Bürger*innen lieber auf eine Baumpflanzung verzichten als auf einen öffentlichen Parkplatz vorm Haus – auch wenn sie ihren
Wagen im Hinterhof abstellen können oder über eine Garage verfügen.
Das sind schon frustrierend Momente. Zwar begrüßt die breite Mehrheit die Vision einer autoarmen Stadt. Das ganze Blech, der Lärm und Gestank ist ja auch äußerst unangenehm. Aber wehe, vor der
Haustür soll sich etwas ändern.
Und so konnte auch die Schlagzeile von der TAZ nicht überraschen. »Autofans stoppen Tramprojekt«
Wiesbaden wird laut Bürgerentscheid keine Straßenbahn bekommen. Und das Gegenargument, bitte gut festhalten, für die Tram würden zu viele Parkplätze geopfert.
Tja, offenbar sind Politikerinnen gar nicht so unfähig wie Kritiker behaupten. Vielmehr hakt es nicht selten an der Unfähigkeit der Bürger, sich eine andere Mobilität vorzustellen, überhaupt an
der Bereitschaft, Veränderungen zu akzeptieren.
Im Stadtrat waren sich die großen Parteien einig, was selten genug vorkommt. SPD, CDU und Grüne haben für das Projekt geworben. Noch dazu Fridays for Future, der Allgemeine Deutsche
Fahrradclub, auch die Industrie- und Handelskammer und der Deutsche Gewerkschaftsbund.
Doch in Wiesbaden stimmten 62 Prozent gegen und nur 38 Prozent für das Projekt. Die Beteiligung war mit 45 Prozent hoch. Leider überwiegte die Dummheit und das nicht mal knapp. Tut mir leid, aber
das wird man ja wohl sagen dürfen. Jetzt wird man einwenden, die Menschen waren nicht gut genug informiert, man muss die Leute mitnehmen la, la, la.
Sorry, wenn die drei großen Parteien und top organisierte Verbände für eine Stadtbahn trommeln, dann mangelt es bestimmt nicht an Informationen und werbenden Gesprächen. In Würzburg weigern sich Anwohner gegen die Verlängerung einer Straßenbahnlinie. Ich möchte gar nicht wissen, wo noch zukunftsfähige Mobilitätsprojekte blockiert werden.
Soweit mein nachdenklicher Blog zum Sonntag. Ich wünsche Euch eine schöne Woche.
Für den Laien ist auf Anhieb kaum zu beurteilen, ob unsere Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner bei den Verhandlungen mit den EU-Agrarministern etwas erreicht hat auf dem Weg zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft. Sie habe hart verhandelt und das maximal mögliche ausgehandelt, sagte Frau Klöckner bei der Pressekonferenz. Dieser Bericht beim Deutschlandfunk fasst gut zusammen, worum es geht.
Das Konzept der Ökoroutine beinhaltet auch steigende Standards.
Hohe Standards sind jedoch nicht in jedem Fall positiv. Das macht eine Studie des Umweltbundesamtes deutlich. Weil Äpfel makellos, Möhren gerade und Kohlrabi mit frischem
Blattgrün versehen sein müssen, werden unnötige Dünge- und Pflanzenschutzmittel eingesetzt und Produkte entsorgt, die nicht den Anforderungen entsprechen.
Verantwortlich dafür sind keine Gesetze, sondern die Vorgaben des Lebensmitteleinzelhandels.
Offenbar fällt es den Konzernen an dieser Stelle überhaupt nicht schwer, höhere Standards festzulegen. Überhaupt ist das in der freien Wirtschaft allgegenwärtig. Das heißt dann
Qualitätsmanagement. Da gibt es Vorgaben, die bis auf den hundertsten Millimeter einzuhalten sind, über viele Vor-Produzenten hinweg – die Ökonomen sprechen von »Wertschöpfungsstufen«.
Vor diesem Hintergrund ist das sogenannte Lieferkettengesetz ebenso angemessen wie dringlich. Selbstverständlich können Unternehmen die Verantwortung etwa für die Fertigung von Textilien übernehmen, auch in fernen Ländern. Sie tun es jetzt schon, damit die teuren Hemden von Hugo Boss, Esprit und Helly Hansen nicht krumm und schief genäht werden.
Von der Auto- zur Radelroutine ist es ein weiter Weg. Karlsruhe ändert die Strukturen und schafft Platz für Radlerinnen.
Was mich sehr beeindruckt hat: Wo vorher 38 Autos parken konnten, ist jetzt Platz für 680 Räder. Hier wird erneut besonders deutlich, wieviel Platz Autos benötigen. Und: Nur eine kleine
Einschränkung für den Autoverkehr, also 38 Parkplätze weniger, schafft enorm viel Raum für Radler.
Doch mit der Coronakrise ist noch ein zweiter Gedanke von Keynes populär. Der bis heute viel zitierte Ökonom vertrat die Einschätzung, dass die Produktion von Gütern nur dann ins nahe oder ferne Ausland verlagert werden sollte, insofern es sinnvoll und notwendig erscheint.
Der freie Waren- und Kapitalverkehr ist demnach nicht automatisch zum Wohle aller. Besser sollten Produzenten und Endverbraucher, wann immer dies sinnvoll und möglich ist, ein und demselben
Wirtschaftsraum angehören. Keynes bezweifelte nicht, dass der Handel mit Gewürzen, Bananen, Öl, Zink und dergleichen sinnvoll ist. Die überwiegende Anzahl der Produkte könnten die Länder
allerdings selbst herstellen. Diese Überlegungen hat der berühmte Ökonom bereits in den 1930er Jahren angestellt und zumindest theoretisch stimmt es immer noch.
Wir sind extrem abhängig von Export und Import geworden. Länder und letztlich auch Kommunen und Regionen sind politisch selbstständiger, wenn sie nicht ständig die Abwanderung von Kapital und
Arbeitsplätzen ins Ausland befürchtet müssen. In diesem Sinne sind die Forderungen zu verstehen, zumindest systemrelevante Produkte und Dienstleistungen wieder näher an die Bundesrepublik oder
zumindest in die EU heranzuholen.
Der wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik und Ernährung, mit das wichtigste Beratungsgremien im Bundesagrarministerium, fordert verbindliche CO₂-Angaben auf Lebensmittelverpackungen.
Das halte ich für einen fatalen Rat. Wieder soll es der Konsument richten. Was haben denn all die Label für faire und ökologische Produkte gebracht? Öko-fair ist immer noch eine Nische. Es ist
enorm aufwendig, den CO2-Rucksack von Lebensmittel zu bewerten. Zeitverschwendung, denn der Effekt dürfte wie auch in den letzten Jahrzehnten im kaum wahrnehmbaren Bereich liegen.
Für mehr Klimaschutz in der Landwirtschaft muss die Europäische Union ihre Subventionspolitik ändern. Strukturelle Reformen machen die Agrarwende möglich, nicht Label-Appell.
Als ich mir jetzt den Klimaschutzbericht in Osnabrück angesehen habe dachte ich, gleich trifft mich der Schlag. In der Einleitung noch der fröhliche Singsang des Oberbürgermeisters, wir »haben so manches mal Mut bewiesen« und »sind mit innovativen Projekten bundesweit vorangegangen«.
Und dann heißt es lapidar, man habe das Ziel um 12 Prozent verfehlt. Okay, das ist nicht schön, das kriegen wir schon hin. Jetzt packen wir es richtig an.
Doch die Bilanz ist in weiten Teilen erschütternd. Und das trotz vieler gelungener Maßnahmen und der vielen vorbildlichen Absichten.
Die Bilanz im Bereich Verkehr ist ein Desaster. Die »Zielerreichung« für den Verkehr liegt bei +11 Prozent, angestrebt bis 2030 werden -41 Prozent. Der Zustand hat sich also erheblich
verschlechtert, weil die Zahl der Autos zunahm, ebenso wie Pendelfahrten. Der Straßenausbau hat dazu massiv beitragen.
Zu rund 1/3 befeuern die Osnabrücker die Klimahitze mit ihren Öfen im Winter. Viele Heizungen sind inzwischen super modern und besonders die neuen Gebäude recht gut gedämmt. Dennoch gibt es seit
2010 keinen Rückgang beim CO2. Kein Wunder, es kommen ständig neue Häuser dazu.
Die Bilanz dürfte sich noch weiter verschlechtern in den Folgejahren, wenn man bedenkt wie viele Wohnungen in 2017, 2018 und 2019 entstanden sind. Besonders zusätzliche Einfamilienhäuser verschlechtern die Bilanz.
Doch es gibt immerhin einen Lichtblick: Die Wirtschaft hat CO2 bereits um 66% reduziert, angestrebt waren -41% . Feiern kann sich dafür die Osnabrücker Politik jedoch nicht, denn dieser Erfolg
liegt quasi außerhalb ihres Einflussbereiches.
Wir müssen beginnen, uns selbst ernst zu nehmen beim Klimaschutz, und endlich Maßnahmen ins Werk setzen, die sich nicht nur nett anhören, sondern auch tatsächlich einen nennenswerten Beitrag zur
Minderung der Klimahitze beitragen.
Was müsste geschehen? Hier nur einige Stichworte:
Heute mal ein etwas längerer Blog. Kurzfassung: Die Wirtschaft kann sich ganz doll verändern, aber man muss ihr Zeit und Perspektive dafür geben. Ich spreche hier von Fahrplänen. Diese Form der Steuerung, Planung, Lenkung oder wie auch immer man das nennen mag, ist vornehme Aufgabe der Politik.
Ich habe mir viele Gedanken zu den wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen und Chancen der gegenwärtige Krise gemacht. Doch inzwischen finde ich Nachrichten richtig erholsam, die mal nichts damit zu tun haben.
Strukturen ändern Routinen, lautet das Credo der Ökoroutine. Ganz konkret wird das beispielsweise bei den Anwohner-Parkgebühren.
Manchmal habe ich das Gefühl, wesentlich liberaler zu sein als viele FDP Mitglieder. Ich fände es gut, wenn man es den Städten überließe, die Gebühren fürs Parken vor der Haustür festzulegen.
Das hat sich wohl auch das Land Berlin gedacht. Berlin hat im Bundesrat dafür geworben, den Deckel für Anwohnerparken von bisher maximal 30,70 Euro pro Jahr auf bis zu 240 Euro anheben zu lassen.
Minister Scheuer bezeichnete die Anhebung der Obergrenze als »überzogen«. Der Antrag scheiterte.
Das bedeutet, für private Autos gilt weiterhin: Das Parken auf öffentlichen Flächen gibt es praktisch für lau! Wie in diesem
Blog bereits ausgeführt, zahlen die Anwohnerinnen in vielen Städten Europas locker zehn bis 20 mal soviel. In Amsterdam zum Beispiel über 500 Euro. Wenn Parken in unseren Städten 300 Euro pro
Jahr kosten würde und CarSharing-Parken hingegen nichts, das wäre mal ein schöner Anreiz für den Wechsel.
Ist der Vorschlag aus Berlin wirklich überzogen?
Dem Staat, also unserer Gesellschaft, kann es nicht gleichgültig sein, ob die Mitbürgerinnen fahrlässig mit ihrem Leben umgehen. Deswegen sind beispielsweise viele Drogen verboten.
Die Rauchverbote hatte man jedoch formal nicht beschlossen, um die Raucher vor sich selbst zu schützen, vielmehr ging es um die Gesundheit der »Passivraucher«. Deren Recht auf freie Entfaltung und körperliche Unversehrtheit werde etwa in Gaststätten eingeschränkt.
Dagegen nimmt der Gesetzgeber die Einschränkung der Freiheitsrechte durch Lärm, Schadstoffe und Verletzte im Straßenverkehr vergleichsweise gelassen hin (siehe Blog »Sind Autos sind verfassungswidrig?«). Dabei ist es unbestritten, dass die gesundheitlichen Belastungen durch Straßenverkehr die Lebenszeit der Betroffenen erheblich verkürzt.
Jede Maßnahme, die dazu beitragen soll, den Autoverkehr zur verringern, sollte man mit den Freiheitsrechten der von Lärm betroffenen Menschen begründen. Und auch ein geschützter Radweg, schön breit und sicher, ist ein Beitrag für die Freiheit von VerkehrsteilnehmerInnen. Im Namen der Freiheit müssen sich daher manchmal auch mal Parkplätze zu Radspuren weiterentwickeln
So titelt die Süddeutsche ihre kurze Meldung zur Reiselust der Deutschen. Es heißt dort im ersten Absatz:
»Vor allem zieht es die Urlauber dabei ans Mittelmeer – und Gebiete rund um den indischen Ozean. Der Trend zur Fernreise ist also genauso ungebrochen. Klimastreiks und Schülerprotesten zum Trotz spürt die Reisebranche keine Flugscham, die Kunden wollen der Umwelt zuliebe offenbar nicht freiwillig aufs Fliegen verzichten. Das bestätigen der Marktführer TUI und der Branchen-Fünfte Alltours. Im Gegenteil: „Die private Nachfrage nach Flügen auf der Mittel- und Langstrecke wächst über alle Flughäfen in Deutschland“, bestätigt Ralph Beisel, der Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands ADV.«
Wieder mal ein Beleg, dass appellative Umweltpolitik versagt. Und auch die im Klimapäckchen beschlossene Abgabe wird das nicht ändern. Ein Langstreckenflug soll künftig 17 Euro teurer werden. Wie
lächerlich das ist, wird einem sofort bewusst, wenn man die Kosten fürs Parken am Flughafen betrachtet: Am Flughafen Frankfurt kostet die Woche zum Schnäppchen-Tarif 80 Euro. Hin- und Rückflug
nach Neuseeland können schnell mal 1400 Euro kosten. Glaubt wirklich jemand, dass die erhöhte Flugsteuer unseren rücksichtlosen Flugtourismus begrenzt?
Warum werden die simplen Vorschläge nicht diskutiert? Es wäre doch ganz einfach, Flughäfen nicht auszubauen und keine zusätzlichen Lizenzen für Starts- und Landungen zu vergeben. Warum werden
selbst
defizitäre Provinzflughäfen wie Kassel-Calden, Rostock Laage oder Münster-Osnabrück durch kommunale Steuergelder künstlich beatmet?
Bei einem Vortrag in Coesfeld war ein Landwirt unter den Teilnehmern. Er zeigt sich nicht amüsiert. Höhere Standards und in 15 Jahren 100% Bio, nein das geht nicht. Das sagen nur Leute, die keine Ahnung haben.
In der Diskussion hat er behauptet, man bekäme die Menschen mit Biolandwirtschaft gar nicht satt. Das wird oft behauptet, ist aber falsch. Das beschreibe ich in im Kapitel »Kann Bio die Welt
ernähren?« der Ökoroutine. Mittlerweise gibt es einige Studien dazu.
»100% Bio für Alle« ist möglich, wenn wir weniger Fleisch essen. Neulich wurden in der ZEIT diese eindrucksvollen Zahl präsentiert: Bald die Hälfte der weltweit geernteten Ackerpflanzen werden
für Tierfutter benötigt. Und nur knapp 40 Prozent für Nahrung.
Es gibt genügend Flächen, um auch mit geringeren Erträgen zehn Milliarden Menschen zu ernähren. Nur, dass alle Menschen so viel Fleisch essen wie die Deutschen, das geht nicht.
Lieber Michael, jetzt musste ich mir schon wieder anhören, »Ihr von den Grünen! Das ist doch eine Verbotspartei«. Das nervt echt. Du kennst Dich doch aus mit Verboten. Was sagst Du denn dazu?
Es gibt viele mögliche Antworten und Vergleiche. Eine habe ich neulich in der Zeitung gelesen. Das Rauchverbot in Gaststätten ist keine klassische Bevormundung, sondern ein Verbot zum Schutze der
Nichtraucher. Das haben die meisten Menschen inzwischen akzeptiert.
Wenn ich das Fliegen begrenze und klimafreundliche Standards für Autos festlege, dann geht es ebenfalls darum, das Leben anderer Menschen zu schützen. Etwa von solchen, die heute mehr denn je
unter Dürrekatastrophen leiden und ihre Rinder verlieren.
Mit denen sitzen wir nicht in einem Raum, aber einleuchten sollte es dennoch. Was ist das denn für eine Freiheit, wenn ich sie nur zulasten von Mitmenschen ausleben kann? Genau dafür brauchen wir
gesellschaftliche Vereinbarungen. Und wenn man es unbedingt so nennen will, Verbote. Puh. Ist das so schlimm?
Ich freue mich darüber, dass in Kneipen nicht geraucht werden darf. Ich bin froh, dass die Menschen vor roten Ampeln halten. Und ich finde es gut, dass mein Nachbar nicht einfach seinen Müll in
meinem Garten entsorgen darf. Das ist nämlich verboten.
Völlig naiv ist in weiten Teilen das Klimaschutzpaket der Bundesregierung. Viele Anreize, keine Vorgaben. Keine Begrenzung. Man stelle sich vor, es gäbe nur Anreize, damit die Menschen ihre
Steuern zahlen. Wie viel Euro da wohl zusammen kämen, wenn Steuern zahlen freiwillig wäre.
Plastikmüll ist ein Riesenthema. Schülergruppen kämpfen in vielen Städten gegen Plastiktüten. Plastikstrohhalme dürfen bald nicht mehr verwendet werden.
Nichtsdestotrotz wird sie größer, die Plastikmüllhalde. Viel Moral, keine Müllvermeidung.
Es gab einmal die Vorgabe, dass Getränke zu mindestens zu 70 Prozent in Mehrwegflaschen verkauft werden müssen. Seit vielen Jahren beobachten wir, dass die Unternehmen sich nicht darum scheren.
Im Jahr 2017 wurden nur etwa 42 Prozent der Getränke in Mehrwegflaschen abgefüllt. Das zeigen die aktuellen Zahlen zur Getränkeabfüllung in Deutschland, die das Umweltbundesamt (UBA) so vorgelegt hat.
Da Getränkeverpackungen mehr als ein Viertel der deutschen Verpackungsabfälle ausmachen, würde ein höherer Mehrweganteil den Verpackungsabfall deutlich reduzieren, mahnt das UBA.
Was ich mir wünsche: Statt moralischer Appelle machen wir die Mehrwegflasche zum Standard.
Mehrwegflaschen aus Glas können 50-mal – PET-Mehrwegflaschen 20-mal befüllt werden. Ist doch eigentlich super oder?
Wenn die Wässerchen und Bierchen dann auch noch mit etwas Lokalpatriotismus gekauft würden, dann wäre das doch wunderbar. Denn Mehrwegflaschen aus der Region schneiden wegen geringer Transportemissionen aus Umweltschutzsicht am besten ab.
Es gibt einfach nichts anderes mehr. Die Unternehmen bekommen eine Übergangszeit, um sich darauf vorzubereiten, sagen wir bis zum Jahr 2023.
Ganz einfach, oder? Wir reden zu wenig von den Dingen, die sich ganz leicht umsetzen lassen.
Was ich mir wünsche: Mehr Mut und Tatkraft in der Politik.
Von Eva Güse
Es gibt Fakten, die sich zu »Oh, ich schäme mich so, dass ich in Urlaub flog!« verhalten wie... ein hungriger Eisbär, der sich an einen Handtaschenhund mit ultraschallgepflegten Zähnen anschleicht.
Na, gefällt Euch, was Ihr seht? Dieser Innenhof war mal grün, mit Rasen, Bäumen und Sträuchern. Dann kam das Auto. Nach und nach haben die Menschen ihre Innenhöfe verstümmelt.
Und es schien ganz »vernünftig«, dem teuren Gefährt einen würdevollen Platz zu geben. Nun, geschützt zumindest, das soll das geliebte Automobil sein. Am besten in einer Garage. Die hat zwar den
Nachteil, dass man seinen Stolz nicht zeigen kann, aber man muss weniger Angst haben, dass man beklaut wird. Von Armen und Neidern.
Immerhin ist das eine Garagendach grün bewachsen. Dann ist es nicht mehr ganz so schlimm. Es gibt zugleich eine Ahnung, wie es sein könnte, wenn wir tun würden, was wir wollen. Und etwa auf
CarSharing umsteigen. Dann wäre wieder viel Raum für Grün.
Und wir müssten nicht mehr so oft ins Auto steigen, um ins grüne zu fahren.
Ab dem kommenden Jahr (2020) wird in Frankreich eine Ökosteuer auf Flugtickets fällig. Pro Ticket sollen dann 1,50 Euro bis 18 Euro auf den Flugpreis draufkommen. Rund 180 Millionen Euro will das Land damit zusätzlich erlösen.
Das war krass. Um 15:30 kommt ein Anruf vom zdf heute-journal. Ein Statement ist gewünscht....wow! Später dann Interview mit Klaus Kleber. Puh!
Wir haben vorher kurz telefoniert. Der Mann ist wirklich sehr sympathisch. Hier das Ergebnis.
Heute fahre ich an einem Einfamilienhaus vorbei, vollständig renoviert und deutlich vergrößert. Es liegt nur 1,5 km vom Stadtzentrum entfernt, verfügt aber gleichwohl über zwei Garagen. In der heutigen Zeit ist das ein Statement. Die Eigentümer könnten gleich auf das Garagentor malen: »Klimaschutz? Ist mir doch egal!«.
Allein, sie tun es nicht. Sie denken es nicht. Bestimmt wünschen sie sich weniger Autos in der Stadt. Und mit ziemlicher Sicherheit wünschen sie sich mehr Engagement beim Klimaschutz. Was das mit
den Garagen und den eigenen Autos zu tun hat, hm.....das ist jetzt aber sehr moralisch.
Der verstopften Straßen sind ein kollektives Problem. Es lässt sich nicht auf individueller Ebene sondern nur gesellschaftlich lösen. Ökomoral hilft da nicht weiter.
Auf der »Kulturellen Landpartie« ist mir dieses Karussell begegnet. Die junge Frau im Vordergrund betreibt es mit Muskelkraft.
Kinder können sich auch an Kleinigkeiten erfreuen. Die permanente Ausdehnung des Angebots, immer neue, krassere Reize überfordern nicht nur Kinder, sondern auch uns. Und wir vergessen dabei, worauf es im Leben eigentlich ankommt, was uns glücklich macht.
Das Umweltministerium will gesetzlich dagegen vorgehen, dass Online-Versandhändler Teile ihrer Rücksendungen vernichten. Michael Kopatz sieht die Pläne grundsätzlich positiv. Allerdings, so der Projektleiter beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, gebe es bessere Möglichkeiten, den Onlinehandel klimafreundlicher zu machen. Sein Vorschlag: keine neuen Straßen bauen!
Zum Interview im Deutschlandfunk. Ab Minute 13:11.
Am letzten Montag hat der Stadtrat von Osnabrück einen einstimmigen Beschluss zur Förderung des Radverkehrs gefasst. Der Grünen-Fraktionschef Volker Bajus sprach vom »Radwegfrieden von Osnabrück«.
Es gab wie immer, viele Fensterreden. Hier ist meine:
Sehr geehrte Damen und Herren!
Im Artikel 2 unserer Verfassung steht: »Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.« Wer jetzt sagt, Autofahren ist Privatsache, gibt sich einer großen Illusion hin.
Man kann sein Auto nicht nutzen, ohne die Freiheitsrechte anderer einzuschränken. Das gilt natürlich besonders für die Freiheitsrechte von Radfahrerinnen und Fußgängerinnen. Man muss nur einmal
den Radweg am Wall nutzen. Die Situation ist unerträglich. Niemand lässt seine Kinder hier fahren.
Wir beklagen zwei tote Radfahrer im Jahr. Und guckt man in den Stadtplan, der anzeigt, wo Radler verletzt wurden, dann sieht man eine mit Punkten übersäte Karte.
Redet mal mit den Menschen, die an einer stark befahrenen Straße, wie der Iburger, Sutthauser, Buersche, Rheiner Landstraße.
Wenn man dann noch bedenkt, welche Auswirkungen die Schadstoffemissionen besonders auf Kinder und ältere Menschen haben....da wird Freiheit genommen.
Ich finde auch, gerade als Arzt muss man diese Probleme mit großer Sorge betrachten. Tom Thiele zeigt immer wieder vorbildlich, wie man dem Hippokratischen Eid auch durch politisches Engagement
nachgehen kann.
Wer die Freiheitsrechte der Menschen bewahren möchte, kommt nicht um hin, die Städte menschenfreundlich zu gestalten.
Und eben dazu leistet diese Beschlussvorlage einen wichtigen Beitrag. Und es freut mich sehr, dass wir hier einer Meinung sind.
Was mich betrübt ist, dass immer wieder so getan wird, als sei es eine Frage von links oder rechts oder halt grüner Politik, wenn wir mehr Platz für Radfahrer schaffen. Ist es doch gar nicht!
80% der Bürgerinnen wollen weniger Autos in der Stadt. Das sollte doch Rückhalt genug sein für alle Fraktionen. Das ist der kollektive Wunsch. Individuell beißen die Leute ins Tischbein vor Wut,
wenn vor ihrem Haus ein Parkplatz verschwindet. Lieber Parkplätze, statt Bäume, alles schon erlebt.
Auch schlimm: Bürger beschweren sich über die gefährlich schnellen Radfahrer, auf dem Radschnellweg.
Es ist leider so, das ist wissenschaftlich erwiesen, je weniger ernsthafte Problem die Menschen haben, also mit zunehmender Sicherheit, da nimmt die Aufregung über Banalitäten und
Nebensächlichkeiten zu.
Wir Politiker dürfen uns von diesen mikrolokalen Widerständen nicht irritieren lassen. Persönliche Egoismen lassen sich nur gesellschaftlich überwinden. Eben durch Politik.
Jetzt steht in der Vorlage wieder drin »Parkplätze werden nach Möglichkeit erhalten«. Warum nur? Leute, wir lösen die Probleme Lärm, Schadstoffe, Tote und Verletzte und die klimatische
Selbstverbrennung nicht dadurch, dass wir die Parkplätze erhalten.
Niemand ändert seine Autoroutine, wenn sich in der Innenstadt alles wunderbar damit erledigen lässt. Niemand fängt an, in die Stadt zu radeln, oder den Bus zu nehmen, wenn es nicht zu gleich
schwieriger und teurer wird, einen Parkplatz zu finden.
Erneut: Diese fatalen Egoismen können wir nur überwinden, wenn wir politisch geschlossen handeln. Also, bitte nicht um jeden Parkstreifen kämpfen, diesen Platz benötigen wir an vielen Stellen für
breite und sichere Radwege.
So, und das Weitere darüber, warum welcher Punkt in diesem Beschluss besonders gut ist für Radler, erspare ich mir jetzt. Dass wissen wir doch alle. Oder: das machen vermutlich jetzt meine
Nachredner.
Letzten Dienstag, also am 7. Mai 2019, lief auf den dritten Programmen die Sendung »Planet Wissen: Klimahelden - Was jeder tun kann«. Hier habe ich mal etwas ausführlicher die Gelegeneheit gehabt, die Ökoroutine zu erklären.
Der Ankündigungstext lässt einen Ratgeber erwarten, was man alles tun kann für den Klimaschutz. Doch immerhin hat der bereits bei Quarks gesende Film über die persönlichen Möglichkeiten gezeigt, dass man allein die Welt nicht retten kann.
Da in der Sendung bei Planet Wissen auch Carla Reemtsma von »Fridays for future« zu Gast ist, kommt die Bedeutung des politische Engagements gut zur Geltung.
Wer sich engagiert, das ist für mich ein Klimaheld.
Oft werde beklagt, die EU sei überreguliert und dies sei ein Wettbewerbsnachteil. Dabei sei das Gegenteil der Fall: Weil die EU striktere Vorschriften hat als andere, werden diese Regeln dann zum globalen Standard.
Dieser Artikel von Christian Mihatsch über den Bericht einer Rechtsprofessorin ist ein Tolles Plädoyer für Standards und damit für das Konzept Ökoroutine.
Christian Lindner bezeichnet die Grünen permanent als Verbotspartei. Sie wollten zum Beispiel nur noch drei Flüge pro Person erlauben. Ist das gelogen oder nur die halbe Wahrheit?
Lindner bezieht sich auf den grünen Bundestagsabgeordneten Dieter Janecek. Dieser meinte, man müsse darüber nachdenken, die Zahl der internationalen Flugreisen auf drei Hin- und Rückflüge pro
Jahr und Person zu deckeln. Wer mehr fliegen will oder muss, kann sich solche Flugrechte oder »Zertifikate« von anderen Bürgern kaufen, die welche erübrigen können.
Das ist jetzt nicht wirklich ein Verbot, sondern eine marktwirtschaftliche Lösung für ein Megaproblem. Damit ist es doch eigentlich ein Ansatz, den die FDP sehr begrüßen müsste, oder? Eine
Lösung, die die hohen Umwelt - Kosten einbezieht, wie der Emissionshandel.
Auf der FDP-Webseite heißt es zumindest, man wolle
»den Emissionshandel verstärken und auf die Sektoren Wärme und Verkehr ausweiten«.
Doch dazu schweigt Lindner in der Diskussion bei Markus Lanz. Stattdessen sagt er zum Vorschlag von Janecek auf seiner Facebook-Seite: »Wer Flugreisen rationiert, zeigt das alte Gesicht einer
Verbotspartei.«
Daraufhin heißt es bei der Bild-Zeitung »Neuer Bevormundungs-Anfall bei
den Grünen«.
Völlig zu Recht fordert Luisa Neubauer bei Markus Lanz, Politiker sollten sich nicht nur streiten, sondern Lösungen präsentieren. Lindner und die Bild-Zeitung wissen offenbar, was sie nicht
wollen. Aber wie wollen sie das Problem lösen?
Ach ja, Wasserstoffflugzeuge. Einen realistischen Vorschlag macht man lieber nicht.
Ich habe mir jetzt mal, auf Empfehlung eines Freundes, die Klima-Debatte bei Markus Lanz angeschaut. Mit Christian Lindner, David Hasselhoff und Luisa Neubauer. Luisa hat die Fridays for Future Bewegung vertreten.
Einstieg war der Tweet von Lindner, wonach man den Klimaschutz lieber den Profis überlassen solle. Nun stand der smarte Liberale unter Druck. Seit Wochen muss er sich dazu äußern und war also
bestens vorbereitet.
Er fände es toll, dass er so ehrlich seine Meinung äußere und stehe auch zu diesem Tweet. Aber er sei halt missverstanden worden. Mit Profis seien nicht Politiker, sondern die Ingenieure gemeint.
Die Techniker wüssten am besten, was zu tun sei.
Nur, wie soll man die Techniker dazu motivieren, sich um grüne Innovationen zu bemühen? Von allein machen die das nicht. Tja, dazu sagt der Herr Lindner nichts.
Der FDP-Chef meint, ihm sei der Klimaschutz ganz wichtig. Aber die Regierung stelle sich zu dumm dabei an. Zu viel Planwirtschaft! Wir bräuchten clevere Instrumente. Welche? Das sagt er nicht. Er
erwähnt nicht einmal die CO2-Steuer, um sich nicht unbeliebt zu machen. Dabei ist immer wieder zu hören, dass die FDP zumindest diesen Ansatz begrüßt.
Stattdessen sagt er mindestens vier Mal, die Grünen wollten nur noch drei Flüge pro Person zulassen. So formuliert ist das gelogen, mehr dazu im nächsten Blog. Lindner schimpft immer wieder über
die Verbotspartei. Mehrfach spricht er von Planwirtschaft, als sei politische Steuerung Kommunismus.
Nun, die Fliegerei heizt den Planeten auf. Das sieht Lindner ein. Wie möchte er nun das Problem »clever« angehen? Ganz im Ernst: Wasserstoffflugzeuge. Das ist seine Lösung.
Erstens: Er sagt nicht, wie sich sein »Konzept« in nächster Zeit politisch auf den Weg bringen lässt.
Zweitens: Bei der Erzeugung und der Verwendung von Wasserstoff braucht man extrem viel Energie. Notwendig dafür wäre Strom aus erneuerbaren
Energien. Deren Anteil bei der Stromerzeugung liegt gerade bei knapp 40 Prozent. Bis zu 100 Prozent ist es noch ein beschwerlicher Weg. Darüber hinaus müssten dann in einem kaum vorstellbaren
Ausmaß weitere Solarfelder und Windparks installiert werden, um nur einen Teil des benötigten Wasserstoffs zu erzeugen.
Es erfüllt mich mit großer Sorge, wenn sich intelligente Menschen wie Christian Lindner mit so unfassbar naiven Vorschlägen brüsten. Ob er selbst daran glaubt? Oder ist er einfach verschlagen?
Das weiß man nicht.
Das sind so Momente, da zieht sich der optimistische Teil in mir zurück. Und mich überkommen große Zweifel.
Es dauert dann ein Weile, bis ich mich wieder aufgerappelt habe. Es geht alles viel zu langsam voran, weil die Lindners dieser Welt auf die Bremse treten.
Wie geht man damit um? Weiter machen. Das ist immer noch besser als aufzugeben.
Die Süddeutsche Zeitung berichtet: Der Börsenwert des Chemie- und Agro-Konzerns Bayer ist mittlerweile geringer als die Summe, die Bayer im vergangenen Jahr für den US-Konzern Monsanto bezahlt hat.
Im April werde ich in Borgholzhausen zur »Kommunalen Wachstumswende« vortragen. Hier ist der Ankündigungtext, den ich gerade verfasst habe:
Alles wird immer größer, kräftiger, luxuriöser, schneller, höher...doch wozu eigentlich? Niemand ist durch all das Wachstum glücklicher geworden. Auch Breitbandanschluss und Flugtaxi werden das Wohlbefinden nicht steigern, denn: Auf einer Skala von 1-10 kann man nicht glücklicher werden als 10.
Dennoch werden Flughäfen ausgebaut, immer neue Gewerbegebiete ausgewiesen und Straßen gebaut. Durch Flächenfraß, Landschaftszerschneidung und industrielle Landwirtschaft ist die Artenvielfalt auf
ein katastrophales Niveau gesunken. Und beim Kampf gegen Heißzeit und Klimakrise werden keine Fortschritte erzielt.
In den Städten und Gemeinden sind eben diese Probleme und Herausforderungen zu erkennen. Man macht getrost weiter wie bisher. Geht es nicht anders?
Doch, es geht. Man muss es wollen und sich einmal die Frage stellen, ob neu angesiedelte Zweigstellen von Konzernen wertvoller sind als die Betriebe aus der Region. Wie lassen sich die lokalen
Produktivkräfte stärken? Was funktioniert in Kommunen eigentlich, wenn es wirtschaftlich einmal schlecht läuft? Was macht eine krisenfeste Wirtschaft aus? Welche Geschäftsmodelle sind
zukunftsfähig und von größtem Nutzen für die Gemeinschaft vor Ort? Können wir Wachstum begrenzen?
Mit diesen Fragen befasst sich der Vortrag von Michael Kopatz, Projektleiter im Wuppertal Institut. Eines seiner Forschungsprojekte trägt den Titel »Wirtschaftsförderung 4.0. Wie man lokale und kooperative Wirtschafsformen
stärken kann«.
In den Zeitungen gibt es gerade eine merkwürdige Anzeige des Wurstproduzenten »Rügenwalder Mühle«.
Auch Kirche kann politisch sein. Seit einigen Tagen dürft Ihr diese Bundestags-Petition für ein Tempolimit von 130 mitzeichnen, initiiert von der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland. Mehr zum Hintergrund: Kirche steigt auf die Bremse.
Die US-Amerikaner denken über die Raserei in Deutschland so wie wir über den Waffenbesitz dort. Die Amis sind verrückt?! Die Deutschen auch!
Bitte gerne unterzeichnen!
Neulich hieß es im Deutschlandfunk, die EU will den Lebenszyklus von Elektrogeräten verlängern. Für Leuchten, Displays und Kühlschränke hat die EU festgelegt: Ersatzteile müssen künftig sieben Jahre lang verfügbar sein, nachdem das letzte Gerät des jeweiligen Modells auf den Markt gekommen ist.
Ebenso sollen die Teile in 15 Werktagen lieferbar sein. Und die Hersteller werden verpflichtet, Reparaturanleitungen im Netz frei zur Verfügung stellen. Läuft alles nach Plan, dürften die Regelungen ab September 2021 in Kraft treten.
Gewiss, es könnte mehr sein. Viel mehr Geräte und viele länger. Wie bei Miele sollten die Ersatzteile zwanzig Jahre verfügbar sein. Und besonders längere Garantiezeiten wären wünschenswert. So
kann man das sehen.
Meine Perspektive: Das ist ein wichtiger Schritt, zum Reparieren statt Neukauf. So wird Öko zur Routine. Es geht weiter. Es sind solche Nachrichten, die mich aufmuntern. Denn es kam nur dazu,
weil sich viele Menschen dafür engagiert haben. Etwa solche wie Stefan Schridde, der etwa mit seiner Website »Murks – Nein Danke!« dafür kämpft, dass die Geräte wieder so hochwertig werden, wie es einmal üblich war.
Veränderungen sind möglich und sie finden statt. Von nichts kommt nichts. Engagement lohnt sich.
Wir haben einen Schrank geerbt. Der ist bestimmt schon über hundert Jahre alt, wurde zig mal umgezogen, auf und abgebaut. Es war überraschend, wie einfach und schnell sich das Möbel aufstellen ließ. Eine Sache von Minuten!
Wenn es schneit fahren nur noch echte Hardliner mit dem Fahrrad. Denn es ist nicht nur kalt und unbequem. Die Radwege sind meist komplett verschneit, noch etwas Frost drüber und es kommt schnell zur Rutschpartie.
Ich sitze in einem Seminar mit Studierenden. Die Referentin präsentiert abschließend das Zitat eines deutschen Schauspielers:
»[...] Stell dir vor, du bist eine alleinerziehende Mutter, hast zwei Kinder. Denkst Du dann wirklich darüber nach, unverpackt einzukaufen [...]? Nein, Industrie und Politik müssen in die Puschen
kommen. Das kann nicht an uns hängen bleiben – das kann nicht sein.«
Hannes Jaenicke in ZDF Volle Kanne vom 27. September 2018
Dieser Mann belässt seine Teilhabe an unserer Demokratie nicht beim Gang zur Wahlurne. Er tut was! Jaenicke kämpft gegen Plastikmüll. Und er kann anschaulich erklären, warum viele Menschen mit
einem plastikarmen Konsum überfordert wären.
Das Umweltgift Glyphosat war noch vor drei Jahren in der Öffentlichkeit völlig unbekannt. Heute weiß jedeR, worum es geht. Frankreich hat es verboten und Deutschland steht kurz davor. Möglich wurde das nur, weil Hundertausende sagen »Wir haben es satt!«.
Am 19. Januar ist es wieder so weit. Tragt Euch das rot in den Kalender ein. Es fahren Busse und Bahnen. Berlin ist immer eine Reise wert. Verabredet Euch. Jetzt! Etwa im Verbindung mit den Weihnachtsgrüßen.
Du weißt heute schon: »Ich bin zu faul, krieg' den Arsch nicht hoch?« Oder: »Oh, leider habe ich da schon einen Termin...«.
Macht nix. Du kannst auch von zuhause unterstützen. Etwa Material bestellen und dann Flyer verteilen und Plakate kleben. Und spenden. Oder den Link zu diesem Blogeintrag weiterleiten.
Tu was!!!! Sei ein guter Demokrat, eine aktive Demokratin! Deine Enkel werden Dir dankbar sein.
Das schon mal zum Aufwärmen. Mehr dazu beim nächsten Wort zur Ökoroutine.
Thomas trifft sich mit seinen alten Kommilitonen Jörn und Ulrich zweimal im Jahr zum Wandern. Mit kleinen Unterbrechungen machen sie das schon seit 20 Jahren. Klar, alle haben sich verändert, nicht nur äußerlich. Doch Jörn ist inzwischen etwas anstrengend. Jörn ist ein richtiger »Öko« geworden.
Früher hat ihn die Klimakrise nicht sonderlich bewegt. Doch inzwischen kann er von nichts anderem mehr reden. Fliegen ist jetzt nicht mehr erlaubt. Und wenn Thomas und Ulrich Fleisch bestellen,
gibt es gleich eine Predigt über das Leid der Tiere, mit Nitrat verseuchte Böden und abgeholzte Regenwälder in Brasilien.
All das wäre ja gar nicht so schlimm, aber Jörn ist dabei so verbissen. So ernst. Und das nervt. Man hat das Gefühl, ihm fällt es schwer, einfach unbeschwert zu genießen. Und nicht selten macht
er mit seinen ökomoralischen Sprüchen die Stimmung kaputt.
Geändert haben Thomas und Ulrich ihre Gewohnheiten und Routinen nicht. Geändert hat sich eigentlich nur, dass sie nicht mehr so viel Lust haben, mit Jörn wandern zu gehen.
Wie könnte Jörn sich von seinem Miesepeter-Image befreien? Zunächst einmal wäre es gut, wenn Jörn für sich klar kriegen könnte, dass die Freunde sich durch sein Genörgel nicht ändern werden. Es
genügt völlig, wenn er selbst mit gutem Beispiel vorrangeht. Das wird am ehesten bewirken, dass Thomas und Jörg ihre Routinen etwas ändern.
Gut wäre auch, wenn Jörn sich die Kompetenz aneignen könnte, manchmal einfach fünfe gerade sein zu lassen. Man muss nicht immer alles richtig machen. Nicht bei jedem in Plastik verpackten Käse
die Müllkippe in den Weltmeeren beklagen. Das Lamentieren ändert sowieso nichts.
Stattdessen sollte Jörn seine Energie in Engagement fließen lassen. Etwa für bessere Radwege und weniger Parkplätze in seiner Stadt, für bessere Bahnverbindungen oder in die Eröffnung oder
Unterstützung eines »Unverpackt« Ladens. Für alle Facetten des Umweltschutzes gibt es Vereine. Dort finden sich Mitstreiter. Zusammen können die Menschen etwas bewegen.
Gut sind konkrete Projekte, die Spuren hinterlassen. Dadurch erfährt Jörn Selbstwirksamkeit. Das fühlt sich gut an und bewegt mehr als verdrießliche Klagen.
Die Regierung von Präsident Emmanuel Macron gab sich knallhart – bis zum Dienstag. Da wurden die geplanten Steuererhöhungen auf Benzin und Diesel für sechs Monate ausgesetzt. "Keine Steuer ist es wert, die Einheit der Nation zu gefährden", sagte Macrons Premierminister Édouard Philippe in einer Fernsehansprache. Am Mittwoch hat Macron das Moratorium bis Ende 2019 verlängert.
Die Steuer sollte die zukunftsfähige Entwicklung Frankreichs mitfinanzieren. Beispielsweise wollte man den Kauf von sparsamen Autos unterstützen.
Seit Beginn des Jahres sind die Steuern auf die Kraftstoffe in Frankreich stark gestiegen. Der Liter Diesel oder Benzin kostet an einigen Tankstellen fast zwei Euro. Es sind offenbar nicht nur
die Deutschen, denen ihr Auto wichtig ist.
Ich erinnere mich noch gut daran, als 1998 die Ökosteuer eingeführt wurde. Es kam zu einem wütenden Proteststurm gegen die Extrasteuer auf Sprit. Dabei ging es im ersten Jahr nur um sechs Cent
pro Liter. Das wäre selbst für Menschen mit kleinem Portmonee kein Problem gewesen.
Doch zugleich stieg der Ölpreis auf dem internationalen Markt, und das machte sich tatsächlich deutlich an der Zapfsäule bemerkbar. Darüber hat man aber nicht diskutiert, sondern nur über die
Ökosteuer. Angela Merkel selbst stellte sich pressetauglich vor eine Tankstelle und wetterte gegen die sozial ungerechte Ökosteuer.
Das war reiner Populismus. Zum einen hatte sie im Jahr zuvor selbst noch die Einführung der Ökosteuer gefordert, in ihrer Rolle als Umweltministerin, zum anderen wusste Merkel natürlich genau,
dass das eigentliche Problem der Ölpreis auf dem Weltmarkt war.
CO2-Steuer trifft Menschen mit kleinem Einkommen hart
In Deutschland wird immer häufiger eine CO2-Steuer gefordert. An sich ist das sehr begrüßenswert, aber man muss sich klarmachen, dass die Menschen darauf sehr sensibel reagieren, wie durch den
Protest der "Gelbwesten" in Frankreich deutlich wird. Ein Kernproblem der Steuer ist, dass sie einkommensarme Menschen am härtesten trifft.
Ein höherer Benzinpreis ist für den Porsche-Cayenne-Fahrer kein Problem. Bedürftige Menschen fühlen sich stark eingeschränkt und müssen bei anderen Dingen sparen oder gar den Wagen stehen lassen.
Da kann man sagen, ja, genau das soll ja auch geschehen, dass die Menschen ihren Wagen stehen lassen und zum Beispiel Bus und Bahn nutzen.
Aber die Bürgerinnen und Bürger wollen sich fair behandelt fühlen und wenn sie den Eindruck haben, ein ganzer Teil der Gesellschaft muss keinen Beitrag leisten zum Klimaschutz, dann ist immer mit
Protesten zu rechnen. Das haben wir schon bei den steigenden Strompreisen erlebt. Polemisch hieß es, arme Haushalte würde mit ihren hohen Stromkosten die Solaranlage von Zahnärzten finanzieren.
Die Energiewende sei sozial ungerecht.
Hinzu kommt, dass einkommensarme Menschen den geringsten Energieverbrauch haben. Es ist erwiesen: Mit zunehmenden Einkommen steigt der Ressourcenverbrauch. Kein Wunder. Gutverdiener haben größere
Wohnungen, mehr Geräte, größere Kühlschränke und Autos. Man muss auch kein Spitzenverdiener sein, um sich eine Sauna im Keller leisten zu können.
Höhere Standards für alle sind fairer
Deswegen plädiere ich mit meinem Konzept der "Ökoroutine" für höhere Standards und Limits. Die sind besonders fair, weil alle Gesellschaftsschichten gleichermaßen davon betroffen sind. Nehmen wir zum Beispiel das Tempolimit, daran muss sich der Angeber in seinem 350-PS-SUV genauso halten wie jemand im Renault Twingo.
Sinnvoll wäre es auch, die Starts und Landungen auf Flughäfen zu limitieren. So ließe sich die klimaschädliche Expansion des Flugverkehrs begrenzen. Wie? Ganz einfach. Die Bundesregierung müsste
einfach nichts tun. Wenn sie keine weiteren Lizenzen für Starts und Landungen vergibt, wenn München, Hamburg und Frankfurt ihre Flughäfen nicht erweitern, dann wird das Limit automatisch
erreicht. Das lässt sich politisch leichter durchsetzen als eine Kerosinsteuer und ist auch viel effektiver. Denn ob die Menschen durch die Steuer tatsächlich die Fliegerei einschränken, ist
ungewiss.
Den Abschied vom Verbrennungsmotor hat die Europäische Union bereits durch steigende Emissionsstandards eingeleitet. Ab dem Jahr 2021 darf die Flotte eines Herstellers im Mittel nur noch 95 Gramm
CO2 freisetzen. Auch diese Vorgabe wird weiter verschärft, das ist schon beschlossen.
Bis zum Nullemissionsauto ist es dann nicht mehr weit. Wie die Industrie das hinbekommt, dass kann man getrost den Ingenieuren überlassen. Gewiss ist jetzt schon, sie werden es schaffen. Die
Politik gibt nur die Innovationsrichtung vor.
Ich bin sicher, dass auch die "Gelbwesten" in Frankreich mit großer Mehrheit den Klimaschutz befürworten. Und ich bin davon überzeugt, dass es in Berlin keine Massenproteste geben wird, wenn die
EU-Kommission den CO2-Standard für die Automobilproduktion weiter anhebt.
Klimaschutz könnte sehr viel einfacher sein, wenn wir uns davon verabschieden, dass allein die Konsumenten das Problem lösen sollen. Höhere Steuern nehmen nur die Verbraucher in die
Verantwortung. Doch die Klimakrise ist ein kollektives Problem, es lässt sich nicht auf individueller Ebene lösen. Es ist wichtiger, die Produktion zu verändern, statt den Konsum. Und es wird als
gerechter empfunden.
21. November 2018. Die Internationalen Energieagentur legt ihren Jahresbericht zur Lage der Energiewirtschaft vor. Diese Berichte waren bis vor zehn Jahren von einem satten Grundoptimismus geprägt. Doch inzwischen werden die Mahnungen immer eindringlicher.
Fatih Birol, seines Zeichens Chefökonom der Energieagentur sagte bereit vor zehn Jahren »Wir müssen uns vom Öl verabschieden, bevor es uns verlässt.« Es werde zudem nicht genügend in die Erschließung neuer Vorkommen investiert.
Heute erneut die Mahnung, beim Erdöl drohe bereits Anfang des nächsten Jahrzehnts weltweit eine dramatische Versorgungskrise. Die Grafik zeigt, der Anteil des leicht zu fördernden Öls, ist bereits seit 2006 rückläufig.
Um die Weltnachfrage zu befriedigen, müssen andere Quellen erschlossen werden. Das wird immer teurer und aufwendiger. Vor allem die USA sind gefordert, ihre Schieferölproduktion in extremer Form auszuweiten.
Ich beobachte gespannt diese Entwicklung. Früher galten Experten als Schwarzseher, die vor dem Ende des Ölzeitalters gewarnt haben. Und vielleicht wird das Öl auch niemals knapp und teuer. Einfach deswegen, weil wir uns rechtzeitig umgestellt haben. Weil Autos ohne Verbrennungsmotor zum Standard geworden sind.
Aber womöglich kommt es doch anders. Vielleicht steigt der Ölpreis massiv und belastet die Weltwirtschaft, belastet arme Menschen, die auf Heizöl und Treibstoff angewiesen sind. Es könnte unbequem werden.
Aber eines zeichnet sich doch jetzt schon ab. Der »Markt« vermag nicht, eine Versorgungskrise, die sich aufgrund von Prognosen ankündigt, durch einen maßvollen Preisanstieg vorwegzunehmen.
Vielmehr kann es, besonders durch Spekulation, zu plötzlichen Preisanstiegen kommen. So wie im Jahr 2008. Da kostete das Fass Öl zeitweilig 150 Dollar. Später waren es dann wieder 40 Dollar.
Die Bundesminister werden von ihren Fachleuten in der Verwaltung beraten. Ich finde es schon erstaunlich, mit welcher Gelassenheit sich die ministerialen Experten solche Berichte anschauen. Kein Weckruf. Stattdessen mehr Straßen, mehr Autos, mehr Leistung.
Was werden diese Experten sagen, wenn es zu einer Versorgungskrise kommt? Vermutlich wird es heißen: »Huch, das konnte man ja nicht ahnen!«
Doch, das konnte man.
Viele Menschen werden hoch erfreut sein, wenn die Autobahn A33 endlich fertiggestellt ist. Man ist dann ja viel schneller! Die Fahrzeit von Osnabrück nach Bielefeld verkürzt sich dramatisch. Manche Politiker fordern auch mehr Straßen, weil das angeblich gut für den Klimaschutz sei. Schließlich stehen wir dann weniger im Stau.
Kritische Stimmen behaupten, mehr Straßen bringen mehr Verkehr mit sich. Neue Straßen sollen zwar der Entlastung dienen. Im Ergebnis steige die Belastung. Ist das so? Wenn ja, warum?
Es gibt bereits seit vielen Jahren etliche Untersuchungen, die den Zusammenhang eindeutig belegen. Mehr Straßen bringen mehr Verkehr. Denn sie dienen eigentlich immer der Beschleunigung.
Sind weiter entfernte Orte beispielsweise durch eine Umfahrungsstraße schneller erreichbar, erhöht sich der Radius für Pendelstrecken. Man erreicht also weiter entlegene Ziele in derselben Zeit.
Parallel zur Strecke Osnabrück-Bielefeld fährt eine Bahn. Ziemlich langsam zwar, aber immerhin beträgt die Fahrzeit nur 60 Minuten, etwas länger als die 50 Minuten, die es mit dem Auto braucht.
Parallel baut der Staat bereits seit vielen Jahren eine Autobahn. So wird sich die Auto-Fahrtzeit auf vielleicht 30-40 Minuten verkürzen. Dann werden viel mehr Menschen mit dem Auto fahren und
die Bahn ignorieren. Das verstopft wiederum die Autobahn.
Mit anderen Worten: Der Staat ermuntert seine Bürger also dazu, den Planeten aufzuheizen.
Es hätte auch umgekehrt sein können, wenn man in die Bahnstrecken investiert und diese beschleunigt hätte. Dann würden mehr Leute mit der Bahn fahren und das Auto stehen lassen, vielleicht sogar
abschaffen. So würde Öko zur Routine.
Die Verkehrsministerien wecken hingegen den Eindruck, noch nie etwas von diesen Untersuchungen gehört zu haben. Allein zwischen 2000 und 2017 erweiterten sie das Autobahnnetz um sage und schreibe
1481 Kilometer. Geholfen hat es nichts, die Staulänge hat sich vervierfacht.
Der Ausbau des Straßennetzes ist zugleich ein Wachstumstreiber, nicht zuletzt für den Lkw-Verkehr. Die Prognosen verkünden dessen Zunahme um fast 40 Prozent bis zum Jahr 2030. Und die
Ministerien machen sich zum Wegbereiter dieser katastrophalen Entwicklung. Alles nur, damit noch mehr Waren kreuz und quer durch Europa gekarrt werden.
Ökoroutine hießt schlichtweg, den Straßenbau zu stoppen. Einfach nichts tun.
21. Oktober 2018, Flughafen Frankfurt. Rund 1000 Menschen demonstrieren gegen einen weiteren Terminal. »Startbahn West«, das ist lange her. Später kam dann die Startbahn Nord-West. Es folgten permanente Erweiterungen der Flugsteige. Noch mehr Flüge und noch mehr Passagiere. Jetzt soll auch noch ein neues Abfertigungsgebäude »Terminal 3« für bis zu 25 Millionen Passagiere pro Jahr entstehen.
Tagesthemen am Mittwoch, den 10. Oktober 2018. Am Tag zuvor ging die Pressemitteilung des Internationalen Klimarates über den Ticker. Die Warnungen der Experten werden von mal zu mal eindringlicher. Heute berichten die Tagesthemen über eine Starkregenkatastrophe in Mallorca, anschließend über neue, abgeschwächte CO2-Standards für Autos.
Doch wenn sich die Politik so schwer tut, was kann eigentlich jeder einzelne für den Klimaschutz tun? Dazu gab es einen dreiminütigen Bericht. Als Experte durfte ich kommentieren. Zunächst habe ich mich natürlich sehr über die Anfrage gefreut. Besonders
auch darüber, dass die Kollegen im Wuppertal Institut mir das Vertrauen dafür entgegen gebracht haben.
Das war voller Einsatz, zur Demo am Hambacher Forst. Wir haben quasi den ganzen Tag im Bus verbracht, Stau, Umwege usw. Dann fünf Kilometer laufen, davon fast vier Kilometer vorbei an den parkenden Bussen.
Es war sehr beeindruckend, wie viele Menschen sich auf den Weg gemacht hatten. Doch auf dem Veranstaltungsplatz waren wir letztlich nur 30 Minuten. Denn um 16:30 Uhr sollte die Manschaft schon wieder beim Bus für die Rückfahrt sein.
Hat sich der Aufwand geloht? Gut, es wäre schöner gewesen, wenn wir zumindest 1-2 Stunden bei der eigentlichen Demo gewesen wären. Aber am Ende zählt nur die Zahl der Protestler. Und die ist gewaltig. 50 000, so die Schätzung. Um die 10 000 wurden zunächst erwartet.
In der Tagesschau war der Hambi der erste Bericht. Und der war recht ausführlich. Also es hat sich gelohnt! Es dürfte allen Politikern inzwischen klar geworden sein, dass man mit der Braunkohle nicht einfach weiter machen kann, wie ursprünglich geplant.
Mein Bus aus Osnabrück hatte noch eine kurze Anfahrt. Es kamen Busse aus Kiel, Berlin und Freiburg. Ein Hoch auf solch wackere Demokraten!
Passend zur Demo am Samstag hatte ich heute ein kurzes Interview im WDR5. Der Moderator Stephan Karkowsky bringt meine Kernbotschaft gleich zu Beginn auf den Punkt: »Öffentlicher Protest ist sinnvoller als privater Konsumverzicht«.
Ich treffe mich mit Christian auf ein Bierchen in der Stadt. Christian kommt heute ausnahmsweise mit dem Bus. Und macht einen ziemlich genervten Eindruck:
»Wie ätzend ist das, da fahr ich mal mit dem Bus in die Stadt und stehe dann mit den anderen Autos im Stau. Da kann ich doch genauso gut meinen Wagen nehmen. Der ist wenigsten
klimatisiert.«
»Stimmt, das ist Mist, aber jetzt kannste Bierchen trinken ☺«
»Aber mit dieser Erfahrung werde ich es auch wirklich nur in solchen Fällen tun!« »Hinzu kommt«, meint Christian, »dass ich auch noch vor so einer verdunkelten Scheibe saß und kaum
rausgucken konnte, weil da Werbung auf dem Glas klebte. Das hat mich eigentlich noch mehr geärgert.«
Christian hat völlig recht. Mit dem Bus fahren die Menschen erst dann, wenn es vorteilhaft ist. Und das ist halt eher selten das Bierchen, da trinken viele lieber keinen Alkohol. Wichtiger ist,
dass der Bus schnell ist, am besten schneller als das Auto.
Möglich ist das ganz einfach durch Busspuren. Aber meist gibt es in den deutschen Städten ein Hauen und Stechen, wenn eine Pkw-Spur nur noch von Bussen und Taxen benutzt werden darf. Am größten
ist die Aufregung in der Regel bei den Einzelhändlern. Die vergessen, dass in einen Bus noch mehr Kunden passen.
Und es muss gar nicht immer die kilometerlange Busspur sein. Schon ganz kurze Abschnitte, etwa vor Kreuzungen, sowie Sonderschaltungen an der Ampel können viel bewirken.
Auf dem Foto sieht man eine kleine Sonderspur. Das hat nur etwas Farbe gekosten und die Störhalte um fast 50 Prozent reduziert. Bei der Anzahl der Fahrten und Busse pro Tag macht das eine
Einsparung von rund 30 000 Euro pro Jahr. Denn die Buswartezeiten kosten bares Geld. Letztlich werden durch Verzögerungen mehr Busse benötigt und mehr Fahrerstunden. Je langsamer Busse voran
kommen, desto teurer wird der Betrieb. Und desto weniger Menschen haben Lust, ihn zu nutzen. Schlechte Auslastung erhöht nochmals die Betriebskosten.....ein Teufelskreis.
Dann ist es doch besser, die Städte machen es umgekehrt: Die Buslinien beschleunigen und Geld sparen, zusätzliche Kunden gewinnen, Auslastung erhöhen und Geld sparen. Alle gewinnen: Der
Nahverkehr wird günstiger, das ist gut für die Stadtkasse. Die Fahrgäste sind zufriedener. Auf den Straßen sind potenziell weniger Autos. Und das beschleunigt wiederum den Autoverkehr.
Seien wir ehrlich, beim Hambacher Forst geht es nicht wirklich um die letzten Quadratmeter Wald, welche für die Braunkohle abgeholzt werden sollen. Es geht ums Ganze.
Der Wald ist zum Symbol geworden für den Widerstand gegen Kohlestrom. Für den Kampf gegen Klimahitze. Dass es dieses Symbol überhaupt gibt, das haben wir den vermeintlichen »Spinnern« in den Baumhäusern zu verdanken.
Ohne solche wackeren Protestler gäbe es nicht die gegenwärtige Diskussion, würde die träge öffentliche Meinung das Problem Kohlestrom kaum wahrnehmen.
Die jungen Menschen in den Wipfeln sorgen für politischen Druck. Mit Erfolg! Kohlepolitiker und Kohleindustrie befinden sich im Rückzugsgefecht. Es sind die letzten Zuckungen einer absterbenden Branche.
Knapp drei Viertel der Befragten sprechen sich für den Kohleausstieg aus. Dabei sind 46 Prozent für einen Ausstieg »bis spätestens 2025« und 27 Prozent »bis spätestens 2030«.
Jetzt nicht locker lassen! Auf zur Demo am 6. Oktober 2018! Die S-Bahn Station Buir ist nur einen Katzensprung von Köln entfernt.
Nichts ist egal, auf Dich kommt es an! Oder, mit anderen Worten: Arsch hoch, liebe Demokraten!
Jeder kennt die Schilder im Hotelbad, die appellieren, die Handtücher auf den Haken zu hängen, um die tägliche Wäsche zu vermeiden: »Leisten Sie einen Beitrag zum Umweltschutz«.
Ich stelle mir jetzt vor, dort stünde: »Können Sie sich vorstellen, wie viele Arbeitsplätze verloren gehen, wenn Sie Ihr Handtuch am Haken lassen? Leisten Sie einen Beitrag für die Wirtschaft.
Werfen Sie Ihr Handtuch auf dem Boden, damit es täglich gewaschen wird. Das sichert Jobs und Beschäftigung ist gut für den Wohlstand.«
Klingt absurd? Genau das ist der Normalfall. Deswegen werden heute immer noch ganze Dörfer weggebaggert und Flughäfen ausgebaut. Und deshalb gibt es auch kein Tempolimit auf der Autobahn oder
eine Blaue Plakette, weil das Arbeitsplätze gefährden könnte. Auch die National Rifle Association der USA ist sich nicht zu schade, das Jobargument zu bemühen.
Was hilft denn der gesunde Wald, das intakte Klima, wenn die Menschen keine Arbeit haben? Gute Frage. Dann also erstmal den Wald verbrauchen. Den Hinweis unter Mails »Save Paper – Think bevor You
Print« ändern wir in USE PAPER AND PRINT - DON´T LET THE ECONOMY SHRINK.
Müssten wir uns nicht vielmehr fragen: Was helfen die Jobs, wenn sie der Selbstzerstörung dienen? Und was ist mit den Jobs, die dem Klimaschutz dienen?
Es ist normal, dass Stromkonzerne im Bündnis mit den Gewerkschaften der Braunkohleindustrie die Energiewende ausbremsen wollen. Nachvollziehbar ist auch das Argument des Stellenabbaus.
Aufgabe der Politik ist es doch, über diese partiellen Interessen hinwegzusehen. Es geht um das Ganze und auch darum, dass inzwischen weit mehr als 360 000 Menschen mit Erneuerbaren Energien ihr
Einkommen bestreiten. In der Braunkohleindustrie sind noch 20 000 Menschen beschäftigt. Da müsste doch eigentlich klar sein, was zu tun ist.
Habt Ihr Visionen? Könnt Ihr Euch vorstellen, dass Reformen und Veränderungen positive Effekte haben? Gut so! Denn: Wer keine Visionen hat, sollte zum Arzt
Das Flugtaxi kommt. Spinnerei? Das Leben ist auch so schön genug? Ja, mag sein. Aber wir werden es nutzen. Wenn es bezahlbar und machbar ist, werden wir das tun. Einfach, weil wir es können. Und niemand, wirklich niemand, wird sich im Endeffekt dadurch besser fühlen.
Sicher ist auch, die Kleinflieger ohne Piloten werden uns als besonders umweltfreundlich präsentiert werden. So könne man den Verkehrskollaps vermeiden, wir es heißen. An dieser Stelle nur so viel: Flugtaxis werden die Reisegeschwindigkeit erhöhen. Und das hat bisher immer dazu geführt, dass wir die eingesparte Zeit in längere Wegstrecken investieren.
Wir leben ohne Limit. Es ist völlig offensichtlich, dass den Menschen die Gabe zur Selbstbegrenzung fehlt. Sicher es gibt Ausnahmen. Aber die breite Masse will haben, was der die anderen haben,
das noch bessere Smartphone, das noch besere Auto, den 4k und später den 8k Fernseher.
Und deswegen benötigen wir Obergrenzen, ein Leben mit Limit. Für Straßen, Häfen, Landebahnen, Pkw, Häuser und Ackergifte. Ohne Limits ist es unmöglich, diesen Planeten mit zehn Milliarden
Menschen auskömmlich zu bewirtschaften. Wenn wir zu dieser Einsicht nicht bereit sind, gehen die Demokratien zugrunde.
Wir leben in einer Gesellschaft der Beschleunigung. Schneller ist besser. Schon ein geringer Zeitvorteil reicht vielen Geschäftsleuten aus, um für eine Reise von Hamburg nach Bonn, in den Flieger zu steigen. Der Staat baut neue Autobahnen und Bundesstraßen, damit wir schneller reisen können. Die Schnellstrecken der Bahn folgen demselben Mantra. Schneller ist besser.
Doch stimmt das eigentlich? Sind die Menschen heute zufriedener als 1980? Nein, sind sie nicht. Da sind die Befragungen eindeutig. Hat die Beschleunigung denn wenigstens dazu geführt, dass wir
mehr Freizeit haben und weniger Zeit im Auto, Bahnen und Flugzeugen verbringen? Es wird manche überraschen: Nein!
Das liegt an einem eigenartigen kulturellen Phänomen. Die Menschen investieren etwa 80 Minuten täglich in Mobilität. Jede Zeitersparnis, etwa durch eine Umfahrungsstraße, führt dazu, dass die
Menschen weitere Strecken zurücklegen. So erweitern sich beispielsweise die Pendelentfernungen, nicht jedoch die Pendelzeiten (Mobilität in Deutschland,
langf. S. 31).
Das war schon zur Zeit der Postkutsche so. Ebenso faszinierend: Ob Bewohner in afrikanischen Dörfern, chinesischen oder südamerikanischen Städten, egal unter welchen politischen Verhältnissen
oder räumlichen Bedingungen, überall sind die Menschen rund 80 Minuten unterwegs.
Wir sind rasend schnell, aber sparen keine Zeit.
Tom ist zehn Jahre alt, spielt gerne Fußball und fragt seine Mutter:
»Wie kommt es eigentlich, dass alle zum Training mit dem Auto gebracht werden. Und wir, mit dem weitesten Weg, fahren mit dem Fahrrad?«
Die Mama kenne ich seit vielen Jahren. Birgit wohnt mit Tom in Braunschweig. Nach einem Umzug, verlängerte sich der Weg zum Sportplatz auf fast sechs Kilometer. Das ist sportlich. Aber genau
darum geht es ja auch beim Fußball. Um den Sport. Trainiert wird auch bei Regen. Da sind die Trainer knallhart.
Aber die Eltern, die sind ganz weich, schon bei den ersten Regentropfen. Und die sportliche Ambition endet offenbar an der Außenlinie. Die 2-3 Kilometer nach Hause, da holt Mama oder Papa mich
ab. Das ist leider die Routine.
Das ist verständlich, heißt aber auch: Diese Menschen werden ihre Routine nicht für ein abstraktes Ziel wie dem Klimaschutz ändern. Sie werden ihr Verhalten nur in Frage stellen, wenn sich die
Verhältnisse ändern.
Statt mehr Parkplätzen brauchen wir mehr Grün. Statt mehr Straßen, benötigen wir mehr Radschnellwege und Straßenbahnen. Und statt einer steuerlichen Förderung von Dienstwagen wären günstige und
verständliche Tarife für den Nahverkehr angesagt.
Dafür sollten sich die Taxi-Mamas und Taxi-Papas engagieren, statt über verstopfte Straßen zu jammern.
p.s.: In deutschen Städten sind 50 Prozent aller Wege kürzer als fünf Kilometer.
Was helfen Standards, wenn die Kontrolleure mundtot gemacht werden?
Bei Ludwig in Münster kann man schön auf dem Balkon sitzen und ins Grüne gucken. Die Vögel zwitschern, Grillen zirpen. Doch nun ist bald Schluss mit Grün. Es muss ja überall in rasendem Tempo gebaut werden. Wohnungen und Häuser werden immer größer, Paare und Singles leben auf 100 Quadratmeter und finden das okay so. Für diese Bedürfnisse müssen überall neue Wohnsiedlungen entstehen. Rund 300 000 werden im Jahr gebaut. Und der Städtetag fordert 400 000.
Nur zur Erinnerung: Die Einwohnerzahl der Republik ist seit 1970 quasi unverändert. Abermillionen Wohnungen haben Investoren und Häuslebauer seither errichtet. Allein zur Herstellung des
verbauten Zements werden unfassbare Energiemengen benötigt. Und die zusätzliche Wohnfläche muss ja auch noch beheizt werden.
Bei fast jedem neuen Bauprojekt entflammen wütende Proteste der Anlieger. Das Grün erhalten wollen alle, aber sich beschränken, das tun sie nur, wenn die Mieten extrem teuer sind.
Es hat mich daher besonders gefreut, als zahlreiche Umweltorganisationen in Süddeutschland zum Volksentscheid »Betonflut eindämmen – damit Bayern Heimat bleibt« aufriefen. Ziel war eine gesetzliche Obergrenze für den Flächenverbrauch. Das Limit sollte bei täglich
fünf Hektar liegen, also nur die Hälfte von den 14 Fußballfelder, die allein in Bayern verschwinden. Kostbare Grünzüge verschwinden zum Beispiel für 400 Straßenbauprojekte, die bis 2030 geplant
sind. Die Zerschneidung der Landschaften, sie wird forciert, als hätte es nie eine Debatte über Naturschutz gegeben.
Das Bündnis für den Volksentscheid hatte großen Zulauf. Im Herbst 2017 trugen sich in wenigen Wochen 48 000 Wahlberechtigte in die Unterstützerlisten ein, doppelt so viele, wie nötig gewesen
wären.
Zu Besuch bei Freunden. Noch vor dem Frühstück kommt das Thema Verpackungsmüll auf. Kurz darauf meint Walter: »Komm, dann gebe ich dir jetzt einen Leinenbeutel mit und darin kannst du dann die Brötchen transportieren.«
Ich: »Gut. Dann muss ich jetzt beim Bäcker nur noch daran denken, den neuen Leinenbeutel auch über die Theke zu reichen.« Ha, ha, lachen alle.
Kurze Zeit später, ich beim Bäcker, schon wieder mit den Gedanken ganz woanders. Suche die Brötchen aus, bezahle und als ich die Tüte in den Leinenbeutel stecke, wird mir die Bedeutung des
Spruchs »die Macht der Routine« wieder schlagartig bewusst. Ich habe tatsächlich verpennt, den Beutel über die Theke zu geben. Die Routine hat mich fest im Griff.
Ähnlich geht es mir auch in der Obstabteilung. Zuhause haben wir extra Netze für Obst. Da muss man natürlich vorher dran denken, sie einzupacken....klappt nicht immer.
Bamberg. Das Wetter ist herrlich, der Abend lauwarm. Wir finden einen schönen Sitzplatz in der Außengastronomie. Beim Warten, Trinken und Speisen werden wir Zeugen eines eindrucksvollen Schauspiels in mehreren Akten. Titel: »Stadt für Menschen«.
Schon vorher bin ich verwundert, warum im Herzen der Altstadt Autos fahren dürfen. Und warum gibt es so viele Parkplätze, wo doch sicher die Gastronomen gerne diese Flächen nutzen würden?
Insgesamt stehen in der Straße bestimmt hundert Menschen und trinken vor einer urigen Traditions-Brauerei ihr Bier. Statt Sitzmöglichkeiten gibt es viel Blech.
Doch ein Stellplatz ist gerade frei. Junge Leute machen es sich an diesem mediterranen Abend dort »gemütlich« und relaxen auf dem Asphalt. Die Gruppe geht und bald kommt schon eine andere. Ein
Papa spielt mit seinem Sohn Ballfangen. Offenbar ist die Ecke angesagt. Die Menschen auf den Bildern haben, ohne es zu wissen, einen kleinen »ParkingDay« veranstaltet. Urbanes Leben, menschliche Begegnung.
In der nächsten Szene nähert sich ein Personenwagen. Fährt direkt an unserm Tisch vorbei und verlangt nach dem »freien« Parkplatz. Die Gruppe räumt die Fläche. Die Fahrerin schließt ab und geht.
Der Kampf gegen Blechverschmutzung, die Rückeroberung der Stadt, sie sollte genau dort ihren Anfang nehmen.
Am Mittwoch stehe ich im Supermarkt vor dem Flaschenautomat. Neben mir diskutierte ein Paar über unseren Flaschenmüll. Mir ist da wieder bewusst geworden, die Experten aus der Abfallwirtschaft leben in einer Wolke. Sie denken, ist doch ganz klar, welche Falschen im Müll landen und welche wiederbefüllt werden. Doch in der Realität ist vielen Menschen der Unterschied nicht bewusst.
Es gibt Pfandflaschen für den Müll, der immerhin verwertet wird. Recycelt wäre zu viel gesagt, denn oft kommt es nur zur Verbrennung. Fachleute nennen das beschönigend: Thermische Verwertung. Und dann gibt es Flaschen, die werden gereinigt und nochmal aufgefüllt. Und schließlich sind da noch Flaschen, die kann man direkt in den gelben Sack werfen.
Im Supermarkt stehen dann auch zwei Automaten für die Rückgabe. Im einen macht es so Knackgeräusche, weil die Flaschen zerquetscht werden: Müll. Im anderen bleiben die Flaschen heil. In beiden
Fällen denken die Leute: »Ist doch ganz okay so«. Und: »Ich habe die Falsche zurück gebracht, das ist mein Beitrag zum Umweltschutz«.
Stimmt leider nicht. Die Wegwerflasche ist eine Ökosünde. Doch die Verpackungsindustrie hat es geschafft, den Kunden komplett zu verwirren. Beispielsweise präsentieren sie Studien, die
nachweisen, wie umweltfreundlich angeblich die leichte Plastikwegwerflasche ist. Ich will das hier gar nicht erörtern. Aber eines ist sicher: Bei kurzen, regionalen Transportwegen ist sogar die
schwere Glasflasche ihrer Konkurrenz überlegen. Zudem 100 Prozent frei von Mikroplastik.
Sie hätten es gerne einfach? Das ist kein Problem. Wir machen das Mehrwegsystem für Kunststoff- und Glasflaschen einfach zum Standard. Dafür muss man nur einige Paragraphen in der sogenannten
Verpackungsverordnung streichen und ändern. Sie schaffen wie bisher Ihre leeren Flaschen zum Supermarkt oder Discounter. Dort gibt es dann nur einen Automaten. Da macht es dann nicht knack,
knack. Die Flaschen bleiben heil, gehen zum nächsten Produzenten und werden dort gespült und wieder genutzt.
Besonders einfach wäre es auch, wenn all diese Flaschen, dieselbe Form hätten. Lediglich das Etikett zeigt, um welchen Hersteller es sich handelt. So bleibt ein fairer Wettbewerb erhalten. Und so
lässt sich vermeiden, dass die Flasche mit Spezialform immer zum original Abfüller verfrachtet werden. Keine Rücktransporte von Hamburg noch München. Das wäre extrem effizient! Im Gesetz müsste
dann nur noch stehen, welche Form der zukünftige Standard ist. Viele Paragraphen wären dann entbehrlich. Das wollen doch angeblich alle: Entbürokratisierung. Bitteschön. Es könnte so einfach
sein.
Immer dann, wenn Menschen sich selbst schaden, sollte man über Hilfe nachdenken. Besonders deutlich wird das, wenn Mitmenschen sich selbst verletzen oder gar Selbstmord in Erwägung ziehen. Wer sagt da schon: »Muss ja jeder selbst entscheiden« ?
Klimahitze und Umweltgifte sind kollektive Selbstverletzungen der Menschheit. Die Entscheidung darüber darf man nicht den Einzelnen überlassen. Es ist eben gerade die Errungenschaft der
Demokratie, kollektive Probleme durch Gesellschaftsverträge zu lösen. Nur so sind Gesetze und Steuern zu verstehen. Es sind gemeinschaftliche Absprachen.
Ohne Straßenverkehrsordnung und Ampeln herrschte Chaos und Anarchie auf den Straßen. Ohne Steuern, keine Straßen. Und ohne Standards gibt es keine klimaneutralen Häuser und Autos. Ist doch eigentlich ganz einfach, oder?
in der Samstagsausgabe der SZ findet sich diesmal ein Artikel mit dem Titel »Setzt endlich Grenzen«. Der Text ist quasi deckungsgleich mit meinen Publikationen zur Ökoroutine und Frau Liebrich zitiert das Buch sogar: »Wenn die Richtung vorgegeben ist, kann selbst der härteste Konkurrenzkampf die Transformation zur Nachhaltigkeit fördern«. Daran konnte ich mich gar nicht mehr erinnern. Aber er gefällt mir ☺
Es freut mich sehr, dass die Ökoroutine jetzt in der SZ eine Würdigung erfährt. So wird die Botschaft »Verhältnisse ändern Verhalten« prominenter. Silvia Liebrich arbeitet wunderbar heraus, dass
man ein gesellschaftliches Problem wie die Klimahitze, nicht individuell lösen kann.