Kaufen

„Die Identität des Menschen definiert sich nicht mehr danach, was jemand tut, sondern was er besitzt. Aber Besitz und Konsum befriedigen unsere Sehnsucht nach Sinn nicht. Ich bitte Sie zu Ihrem eigenen Wohl und für die Sicherheit der Nation, auf unnötige Reisen zu verzichten und wann immer möglich Fahrgemeinschaften zu bilden oder öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Jede Form des Energiesparens ist gut für das Allgemeinwohl. Mehr noch, sie ist eine patriotische Handlung.“

Mitte 1979 wandte sich US-Präsident Jimmy Carter in einer landesweit ausgestrahlten Fernsehrede an die amerikanische Öffentlichkeit. Als Reaktion auf die damalige Ölpreiskrise rief er seine Landsleute zu einem sparsameren Umgang mit dem wichtigen Rohstoff auf. Doch Carter begnügte sich nicht mit Appellen. Er übte auch grundsätzliche Kritik an der sich ausbreitenden Konsumkultur Amerikas. Die Grundbedürfnisse eines guten Lebens waren für die breite Bevölkerung längst erfüllt, dennoch ließen die Wünsche nach immer Mehr und immer Neuem nicht nach. Schwarz-Weiß-Fernseher waren toll, bis die farbige Variante auf den Markt kam. Die Zentralheizung setzte sich durch, Autos wurden größer und PS-stärker, und bis zum Mobiltelefon war es auch nicht mehr weit. Doch materieller Wohlstand, so Carter, kann unsere Sehnsucht nach Sinn nicht befriedigen.


Es ist heute kaum vorstellbar, dass heute ein Präsident oder ein Bundeskanzler sich so äußern würde. Ganz im Gegenteil: Die Bürger sollen ihre Geld ausgeben, damit die Wirtschaft brummt. Wir leben zwar schon im totalen Überfluss, doch damit die Wirtschaft wächst sollen die Menschen noch mehr kaufen. Nicht mehr warten, bis der Fernseher kaputt ist, sondern vorher einen neuen, besseren anschaffen. Ressourcenverschwendung ist Routine.


Das manifestiert sich beispielsweise am Elektroschrott. Kein Land der EU produziert davon so viel wie Deutschland. Rund 777 000 Tonnen waren es dem europäischen Statistikamt zufolge im Jahr 2010. Auf Platz zwei liegt Italien mit 582 000 Tonnen.  Und dabei ist nur der Elektroschrott erfasst, der ins Recyclingsystem wandert. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen fallen in der Bundesrepublik tatsächlich Jahr für Jahr zwei Millionen Tonnen Elektromüll an – der größte Teil des Schrotts landet also noch nicht einmal im Recycling, sondern »verschwindet« einfach.


Wir haben uns an den Gedanken gewöhnt, all das sei gut für die Wirtschaft und deshalb auch für uns – als würden haltbare, zeitlose und reparaturfähige Produkte wirtschaftliches Wachstum behindern. Ökoroutine will das ändern.

Mit einer Fake-Anzeige macht Greenpeace auf groteske Werbebotschaften aufmerksam. Kurze Innovationszyklen und Werbung gehen heute Hand in Hand. Eine Herstellergarantie von 4 Jahren und ein garantiertes Update für 6 Jahre wirken dem entgegen. Quelle: Greepeace

 

Ökoroutine nimmt die Erfahrung ernst, dass moralische Appelle allein nicht genügen. Vielmehr sind die wirtschaftspolitischen Regeln so weiterzuentwickeln, dass sich der achtsame und effiziente Umgang mit Ressourcen auch in den Gegenständen unseres Haushalts widerspiegelt. Zu beklagen, dass die Konsumenten überwiegend Billigwaren bevorzugen und damit schlechte Qualität und raschen Verschleiß akzeptieren, führt nicht weiter. Stattdessen ist es wirksamer, bei der Entstehung der Produkte anzusetzen. Damit Öko zur Routine wird, sind Mindeststandards dafür zu etablieren, wie haltbar und reparaturfähig die Produkte sein sollen.


Für Tablets und Computer wäre eine Gewährleistung von fünf Jahren angebracht. Bei Schuhen dürfen es drei Jahre, bei Kühlschränken und Möbeln auch zehn oder 15 Jahre sein. Über diesen Zeitraum hätten die Hersteller nachzuweisen, dass Ausfälle nicht durch einen Mangel in der Fertigung verursacht wurden. Der Vorteil für den Einzelhandel: Die Verantwortung verbliebe nicht allein beim Verkäufer.


Einmal angenommen, die Hersteller von Mobiltelefonen müssten für einen Zeitraum von vier Jahren für die Funktionsfähigkeit ihrer Geräte garantieren, würde sich die Nutzungsdauer womöglich verdoppeln. Die verdoppelte Nutzungsdauer führt automatisch dazu, dass in der Herstellung nur noch halb so viele Rohstoffe benötigt werden. Jedes Jahr an verlängerter Nutzung verringert den ökologischen Rucksack eines Produkts.


Entkommerzialisierung
Keine Frage, Werbung ist der stärkste Treiber für Überflusskonsum. Eine der wichtigsten Gegenstrategien der Ökoroutine ist daher die Begrenzung von Werbung. Auf diese Weise könnten wir uns effektiv und einfach vor den Folgen fehlgeleiteten Konsums schützen. Diese Strategie der Ökoroutine ist zentral, wenn sich achtsame Verhaltensweisen verselbständigen sollen. Die Begrenzung der Werbung lässt sich auch als »Entkommerzialisierung« bezeichnen.


Den Anfang könnte ein generelles Verbot von Werbung machen, die sich speziell an unter Zwölfjährige richtet. So halten es Schweden und Norwegen schon heute. Hilfreich wäre auch ein prinzipielles Werbeverbot im Umfeld von Kindersendungen, wie es in Österreich und Dänemark üblich ist. Begründen ließe sich die Entscheidung damit, dass Kinder keine Konsumenten sind und sich nur schwer gegen die subtilen Lockungen der Werbung wehren können. Es stimmt zwar, dass die Eltern entscheiden können, was gekauft wird und wie viel Zeit ihre Kinder vor dem Bildschirm verbringen. Doch im Alltag lässt sich selbst besseres Wissen oft nur schwer durchsetzen. Nur wenige haben die Kraft und die Kapazität, sich dem Einfluss einer milliardenschweren Industrie entgegenzustellen. Es wäre fahrlässig, sie damit allein zu lassen.