Warum wir nicht tun, was wir für richtig halten

Seit mindestens zwei Jahrzehnten ist bekannt, dass ein hohes Umweltbewusstsein sich nicht automatisch in ein entsprechendes umweltbewusstes Verhalten umsetzt. Über diese Diskrepanz wurde viel geforscht und geschrieben. Mithin wollte man herausfinden, welche Faktoren dazu führen, die Diskrepanz überwinden zu können. Die Ergebnisse sind im Kern immer gleich: Informationen allein entfalten nur eine sehr begrenzte Wirkung.


Appelle, Kampagnen und Aufklärungsinitiativen müssen, wenn sie Erfolg haben sollen, von finanziellen und strukturellen Anreizen flankiert werden. Wenn das Autofahren teurer wird und zugleich Nahverkehr und Radeln attraktiver, dann kommen Veränderungen auch beim Einzelnen in Gang. Ohne solche Rahmenbedingungen, das haben repräsentative Untersuchungen gezeigt, wird umweltschonendes Verhalten lediglich in »Alibi-Bereichen« praktiziert. Mülltrennung oder das Kaufen von Recyclingpapier mag das Gewissen so beruhigen, dass man sich zu gravierenden Verhaltensänderungen nicht veranlasst fühlt. Zugleich verrechnen wir innerlich verschiedene Handlungsstränge, also Urlaubsflug mit dem Bioladeneinkauf.


Wenn allenthalben das »Mehr« gelebt und propagiert wird, wer mag da über das »Weniger« nachdenken? Wenn Politiker und Unternehmen signalisieren, alles läuft wunderbar, macht weiter so, das mit dem Klimaschutz bekommen wir schon hin, ohne dass ihr etwas dafür tun müsst – wie soll sich eine Kultur der Achtsamkeit entwickeln? Der aktuelle Referenzrahmen sagt, alles ist gut und richtig so. Was alle machen, kann nicht verkehrt sein.


Gewiss, es gibt Ausnahmen: Menschen, die ihren Ressourcenverbrauch auf ein Minimum reduziert haben. Nichtsdestotrotz ist die Debatte über die Macht des Kunden und strategischen Konsums fehlgeleitet, weil sie die politische Dimension der Nachhaltigkeit ausblendet. Sie belastet den Einzelnen mit einer Verantwortung, die er weder tragen wolle noch könne, meint der Physiker und Philosoph Armin Grunwald.


Niemand will der Dumme sein


Das liegt ganz einfach daran, dass keiner der Dumme sein will. Dem Klimaschutz mag man ja eine hohe Bedeutung beimessen, doch einer allein kann die Welt auch nicht verändern, so der Gedanke. Das Auto stehen zu lassen, während die Nachbarn, ja die ganze Welt weitermacht wie bisher, was soll das schon bringen? Ein objektiver Nachteil steht einem nicht spürbaren Effekt gegenüber. Aus Sicht des Einzelnen ist es ganz rational, bei den Gewohnheiten zu bleiben. Das Problem: Das individuell rationale Verhalten führt zu einem kollektiv irrationalen Ergebnis, denn kaum jemand sehnt den Klimawandel herbei. Ökoroutine spricht daher über politische Werkzeuge, Gelegenheitsstrukturen, Standards und Fahrpläne, die dazu führen, dass wir tun, was wir für richtig halten.