Die Sinnfrage

Gerade fahre ich mit dem Zug parallel zur Autobahn. Der ICE gleitet dahin, vorbei an einer endlosen Reihe Lastkraftwagen. Der Verkehr fließt zäh. Der Lasttransport hat extrem zugenommen – um 30 Prozent in den letzten 15 Jahren – und soll nochmal um 40 Prozent wachsen – in den nächsten zehn Jahren. Wie das noch möglich sein soll, fragt man sich.


Doch wozu eigentlich? Warum immer mehr Lkw-Transporte, mehr Verkehr, mehr Lärm, mehr Schadstoffe, mehr CO2? Ist irgendjemand glücklicher geworden durch Kartoffeln aus Ägypten? Würde jemand behaupten, »meine Lebensumstände haben sich verbessert, seit ich weiß, dass die Produktion einer Tiefkühlpizza über zwölf EU-Länder verteilt ist«?


Stellt sich eigentlich niemand in der großen Politik die Sinnfrage? Wozu ist das eigentlich alles gut, wenn es doch soviel schadet? Warum müssen noch mehr Produkte noch schneller kreuz und quer durch Europa gekarrt werden? Tja, warum eigentlich? Das kann eigentlich niemand so richtig beantworten. Ganz lapidar heißt es dann: Weil halt alles wächst und Wachstum muss sein.


Neulich hat meine Tochter diese Grafik im Kunstunterricht erstellt. Darauf steht »Befrei Dich«. Mit einfachen Strichen verdeutlich sie eine wissenschaftlich abgesicherte Tatsache: Seit den 1980er Jahren hat sich unser Wohlstand verdreifacht. Wir können also dreimal so viele Sachen kaufen, dreimal so viel Reisen, um Faktor drei Essen gehen....doch unser Wohlbefinden lässt sich nicht unbegrenzt steigern. Man kann nicht glücklicher sein als glücklich.


Ich wünsche mir, dass unsere Wirtschafswissenschaftler sich einmal diese Fragen stellen: Wenn wir durch die permanente Expansion nicht glücklicher werden, warum tun wir es dann? Warum strampeln wir uns wie ferngesteuert ab und schuften, um zu shoppen? Warum fällt es uns so schwer, die Arbeitszeit zu verringern und dafür mehr Zeit für Muße zu schaffen? Warum fällt es uns so schwer, etwas nicht zu kaufen? Warum sind wir so gehetzt wie noch nie und können den ganzen Wohlstand kaum noch genießen?


Und ich wünsche mir, dass die Top-Ökonomen unserer Republik einmal beginnen, darüber zu grübeln, wie eine Wirtschaft ausgerichtet sein muss, die den Menschen in den Mittelpunkt rückt. Was muss geschehen, damit unsere Wirtschaft auch ohne permanente Expansion und dem exzessiven Verschleiß endlicher Ressourcen auskommt? Und wie kann ein Wirtschaftssystem ohne Überflusskonsum tragfähig bleiben? Wie funktionieren dann unser Renten- und Gesundheitssysteme?


Es wäre schön, wenn sich die Experten einmal dazu bequemen könnten, solche Szenarien durchzurechnen und zu modellieren.