Vom 9-Euro zum Klimaticket

Seit Monaten diskutiert die Öffentlichkeit über das Billig-Ticket, aber die eigentliche Innovation wird dabei nicht erwähnt. Das Ticket ist nicht nur besonders billig, sondern es ist ein Testlauf für den Einheitstarif. Der Fahrschein gilt in Berlin, Hamburg und Heidelberg gleichermaßen. Es wäre eine Sensation, wenn unsere Verkehrspolitiker:innen das hinbekämen. Ein Fahrschein oder Abonnement für alle Städte zum selben Preis.

Bisher hat jede Region ihre eigene Tarifstruktur. Da verbringen die Leute schonmal fünf bis zehn Minuten vor dem Automaten, um den günstigsten Tarif zu ermitteln. In einer Großstadt kann man schon eine Weile grübeln, ob Kurzstrecke, Einzelfahrschein, Viererstreifen, Tagesticket, Tagesticket ab 9 Uhr, Familienticket usw. am günstigsten ist. Ähnlich vielfältig sind Monatstickets: PremiumAbo, BasisAbo, 63plusAbo, MobilAbo, BasisAbo Region, JobTicket. Das macht einen doch wuschig.

 

Gut 50 Euro kostet der Basistarif in einer Stadt mit 150 000 Einwohner monatlich. Wer vom Landkreis mit dem Bus in die Stadt pendeln möchte liegt schnell bei 100 Euro. Richtig teuer wird es, wenn man ein Tarifgebiet verlässt.


Nun also kommt ein Flatratetarif für sage und schreibe neun Euro. Der Tarifdschungel lichtet sich für drei Monate. Ein Tarif für alle Städte, das ist klar und transparent. Versteht jeder.

Doch wüsste ich gern warum das 9-Euro-Ticket so billig ist. Und warum muss es deutschlandweit gelten? Schon allein für eine Stadt wie Göttingen wären neun Euro ein Spottpreis. Warum nicht 30 Euro pro Monat? Oder anders gefragt: Warum hat man nicht versuchsweise für ein Jahr das Konzept aus Österreich umgesetzt?


Dort gibt es ein Klimaticket in drei Stufen. Für ein Bundesland kostet es 365 Euro, der doppelte Preis gilt für zwei Länder und der dreifache für ganz Österreich. Die BahnCard 100 kostet damit 1095 und mit Ermäßigung 821 Euro pro Jahr. In Deutschland zahlen die Kunden 4144 Euro. Das lohnt sich nur für Menschen, die mehrmals pro Woche verreisen oder lange Strecken pendeln. Vor der COVID Krise gab es nur knapp 50 000 Inhabende.

Den hohen Preis begründet die Bahn mit dem großen Netz. Nach dieser Logik müsste das Monatsticket aus Berlin allerdings mindestens zehnmal teurer sein als in Braunschweig. Das ist aber nicht der Fall, weil die Kosten bezogen auf den Kunden in beiden Städten recht nahe beieinander liegen. Ein Vergleich der Ausgaben pro Einwohner zeigt, dass Österreich sogar deutlich mehr ausgibt als Deutschland. Die BahnCard 100 müsste dort demnach deutlich teurer sein. Doch stattdessen lockt die ÖBB neue Kunden mit einem einfachen und enorm günstigen Tarif an.


Ganz so simpel ist das nun nicht, werden Experten für öffentlichen Verkehr einwenden. Stimmt. Aber die Grundkonzeption aus Österreich ist bestechend einfach, günstig und transparent. Es ist zugleich eine Einladung, das Privatauto öfter stehen zu lassen oder gar abzuschaffen.
So gesehen ist das 9-Euro-Ticket womöglich der Einstieg in eine Diskussion über die Einführung eines 1-2-3 Klimatickets nach dem Vorbild aus der Alpenregion. Schön wäre es.