Heiliger Konsum

Der Drang nach Markenprodukten kann mitunter einem religiösen Zwang ähneln. Wirklich cool ist aber was ganz anderes: sich unabhängig machen vom Marken-Fetischismus.

Mich nervt die Angeberei mit Marken. Besonders auffällig ist das bei Kleidung. Ein T-Shirt kostet gleich 50 Euro mehr, nur weil es von Boss ist oder Tommy Hilfiger. Fürst von Metternich mag ein guter Sekt sein, aber ich schätze mal, fünf Euro pro Flasche bezahlt man alleine für die Marke bzw. für die Werbung, die dahintersteckt.

Die deutsche Industrie investiert über 34 Milliarden Euro in Werbung. Damit wir Dinge kaufen, die wir eigentlich gar nicht brauchen. Damit wir schuften, um zu schoppen. Und damit wir viel mehr Geld für angesagte Marken ausgeben als für faire Produktionsbedingungen.

Wenn Leute teure Marken tragen, denke ich mir, der muss gut bei Kasse sein. Und Menschen, die wohlhabend wirken, müssen ja auch irgendwie erfolgreich sein, oder? Zumindest neigt man zu dem Gedanken. Ich weiß aber auch: Sehr viele Menschen mit viel Geld haben nicht im Geringsten etwas Bedeutendes geleistet. Schon gar nicht für die Gemeinschaft.

Doch nicht nur Topverdiener und Erben versuchen, mit Marken und Produkten auf sich aufmerksam zu machen. Ich habe mich selbst auch schon öfter dabei erwischt. Natürlich wollte ich mir das nie eingestehen. Aber tatsächlich lasse ich mich durch »gute Marken« blenden. Dabei weiß ich rational, dass nicht allein die Qualität eines Produktes zum »Markenbewusstsein« führt, sondern vor allem millionenschwere Marketingkampagnen.

Einmal zur Weihnachtszeit sah ich einen fetten SUV unter einem festlich beleuchteten Carport. Ich war verwirrt. Warum beleuchtet dieser Mann sein Auto, als wäre es ein Heiligtum? Nun, Konsum hat ja mitunter religiösen Charakter. Aber erst nach einer Weile wurde mir der Grund für die Illumination klar. Dieser Mann ist auf der Suche nach Liebe und Anerkennung.

Auf der Suche nach Anerkennung und Liebe.
Auf der Suche nach Anerkennung und Liebe.

Einen großen Teil ihres Einkommens verwenden besonders Menschen mit gutem Einkommen für die Investition in Gegenstände, die vor allem den Zweck haben, andere Menschen zu beindrucken. Wir wollen gesehen, gemocht, bewundert werden. Wir wollen geliebt werden. Doch weder Liebe noch Anerkennung erlangt man durch materielle Güter.

Entscheidend sind unsere sozialen Beziehungen, unsere Investitionen in gemeinsame Zeit mit Freunden, Bekannten und Verwandten. Anerkennung kann erlangen, wer etwas Sinnvolles für die Gesellschaft leistet. Der ehrenamtliche Jugendtrainer einer Fußballmannschaft wird mehr Wertschätzung erfahren als ein dusseliger Angeber mit teuren Markenprodukten, der nur an die Verwendung seines Einkommens denkt.

Inzwischen versuche ich Markenprodukte zu vermeiden. Besonders solche, die vor allem viel Geld kosten, weil ein bestimmtes Logo darauf ist. Ich bin doch keine Litfaßsäule für Konzerne. Bei meinem Notebook habe ich das Logo abgeklebt. Inzwischen sind weitere Produkte dazu gekommen, etwa meine Winterjacke aus dem Second Hand Shop. Das Logo hat mich vom Kauf zunächst abgehalten. Abgeklebt, abgetrennt und schon geht’s. Das ist eigentlich eine nette Anti Konsum Strategie: Logos abkleben.

Was ich auch richtig cool finde, dass die Tageszeitung die taz auf den Fotos im Sportteil, die Werbung auf den Trikots von Fußballspielern verpixelt. Wow! Besser kann man wohl kaum seine Unabhängigkeit von Anzeigenkunden und Konzernen verdeutlichen.