Wohnungsnot und Moral

Wie ich schon berichtet habe, bin ich hin und her gerissen bei Fragen zu ökologisch korrektem Verhalten. Mein grünes Buch trägt den provokanten Titel »Schluss mit der Ökomoral«.


Und wie ich auch schon erzählt habe, treibt mich der wachsenden Wohnflächenbedarf um. Inzwischen verfügt jeder Bundesbürger statistisch über 48 Quadratmeter, 1991 waren es noch 35 Quadratmeter. Diese Entwicklung ist Ursache der Wohnungsnot. Auch Städte mir rückläufiger oder stagnierender Einwohnerzahl leider unter Wohnungsnot. Prognosen weisen auch in solchen Städten den Bedarf von Tausenden zusätzlichen. Wohungen aus.


Da sind Eltern, deren Kinder schon längst ausgezogen sind. Immer mehr Singlehaushalte, auch weil es sich Paare leisten können, getrennt zu wohnen. Und es gibt viele Besserverdiener, die eine 80 Quadratmeter Wohnung für sich allein gerade ausreichend finden.


Ein Beispiel dafür liefert ausgerechnet ein Sozialdemokrat, der mir aus meiner Zeit als ehrenamtlicher Kommunalpolitiker in Osnabrück sehr sympathisch in Erinnerung ist. Er bezog jetzt zusammen mit seinem Lebensgefährten ein Einfamilienhaus. Geschätzte Wohnfläche 160 m². Kinder sind nicht geplant.


Mich hat diese Nachricht schockiert. Und ich frage mich, wie man so unbedarft sein kann. Er und seine Partei redet ständig davon, dass Einfamilienhäuser für junge Familien fehlen. Und jetzt schnappt er selbst einer solchen Familie das Haus weg?


Es ist wohl leider so, dass die meisten Leute auch eine Villa bewohnen würden, wenn Sie über die finanziellen Mittel dafür verfügen würden. Räume für Tischkicker, Fitness und warum nicht ein Billiardzimmer? Sauna, Schwimmbecken. Sie tun es, weil sie es können. 

Ich habe Verständnis dafür, dass Eltern in den Häusern hängen bleiben, auch wenn die Kinder schon längst ausgezogen sind. Vollstes Verständnis. Aber als Paar in ein so großes Haus zu ziehen, wenn Nachwuchs definitiv nicht zu erwarten oder erwünscht ist.… der Soze hat nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Zugleich jammert er ständig über Wohnungsnot und fordert mehr Wohnungsbau.


Das Problem, dass durch solche Entscheidungen Wohnflächen knapp werden, scheint ihm trotz des politischen Engagements überhaupt nicht bewusst zu sein. Jeder ist sich selbst am nächsten.


Solche schlechten Vorbilder gibt es übrigens auch bei den Grünen.
Ja, jetzt werde ich wieder moralisch. Nervt mich selbst.


Warum berührt mich das so? Weil ich mich seit Jahren dafür engagiere, die verfügbaren Wohnflächen besser zu nutzen. Oder mit den Worten von Daniel Fuhrhop, dass wir den „unsichtbaren Wohnraum“ mobilisieren.


In Marburg treibe ich dafür mühselig ein Projekt voran, mit dem wir barrierefreie, Wohnraumangebote schaffen wollen, für ältere Paare und Singles, die bereit sind, ihr Einfamilienhaus frei zu ziehen. Beispielsweise, weil absehbar ist, dass die Treppe in ihrem Haus mehr und mehr zum Problem wird. Oder weil kostspielige Investitionen anstehen etwa in eine neue Heizung.


Wenn ich von der Dekadenz von Leuten wie Alfred und Frieda höre, erscheint mir mein Engagement irgendwie sinnlos. Das sind ja keine Superreichen, da würde mich das nicht wundern.


Ich stehe mit meinem Plädoyer für einen achtsam Umgang mit Wohnflächen, offensichtlich noch ganz am Anfang. Zugleich ist mein Eindruck, dass das Thema langsam bekannter wird und es gibt ja auch schon erste Projekte, welche in diese Richtung gehen. Insofern bleibe ich meinem Motto treu: Nicht aufgeben!